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Das Beste nebenbei

■ Gudrun Wassermann in der Galerie Ermer

Beifall kriegen wollen, egal von einer wie richtigen, wie sehr verehrten Seite, ist ein Hirntumor, der sehr schnell und destruktiv wächst, das gesunde Resthirn zerstört, das Richtige vereitelt.« (Rainald Goetz). Darum geht es in der Ausstellung von Gudrun Wassermann in der Galerie Ermer. Sie zeigt einen einminütigen Film, der sich in einem Endlosband so lange wiederholt, bis der Strom abgestellt wird. Wir sehen vor einem Bauernhaus eine Frau. Sie legt von einem Stapel Holz in eine Kiste und trägt sie dann aus dem Bild. Die Kamera hat sich nicht bewegt. Wir standen regungslos am Fenster und schauten.

Die Frau tat ihre Arbeit wie immer. Es ist der gewohnte Gang zum Stapel und aus dem Blickfeld. Immer wieder hingehen, bücken, einladen, wegtragen; jahrelang. »Den ganzen Tag über sitzt Erna an einem kleinen Tisch in der dunklen Ecke der großen, bäuerlichen Küche. Sie nimmt an keinem Gespräch teil. Zweimal täglich, vor dem Mittag- und Abendessen, geht sie mit der Kiste über den Vorplatz, um von dem Holzhaufen Brennmaterial zum Kochen zu holen.« Das wiederholt sich wie die Uhrzeit. Immer wieder noch einmal von vorn. Zweimal täglich. Und nichts wird sich geändert haben. Sein wird, was ist. Zyklische Zeit also. Die Zeit der Gewohnheit, des Unveränderlichen, des Mythos.

Aus der Filmsequenz hat Gudrun Wassermann vier großformatige Blow-ups mit dem Kopf der Frau nebeneinandergesetzt. Die grobkörnig gerasterte Vergrößerung, die in Hell-dunkel-Felder zerfällt, erschwert die Erkennbarkeit des Porträts, löst die Gesichtszüge der Frau auf und betont deren Ausdruck im Gestus. Das Abbild erscheint wie hinter einer annähernd blickdichten Gardine entwirklicht. Die Blow-ups geben nicht vor, Wirklichkeit zu ersetzen, sondern sind Bilder, ganz präzise im Maßstab und ganz vage im Abbild. Eine Art phantastische Genauigkeit, die plötzlich — aber nicht unvorbereitet — die altertümliche Idee von Anmut in Erinnerung bringt.

Wassermanns Kamerablick ist nicht im geringsten der eines Voyeurs, der insgeheim jemanden beobachtet. Sie beobachtet nicht. Sie schaut wie zufällig aus dem Fenster — wie man manchmal beim Bügeln, Lesen, Tagträumen aufschaut und mit dem Blick irgendwo draußen hängenbleibt; so ist der Kamerablick interesselos, weder neugierig noch nervös, willenlos. Er läßt einfach passieren.

Die Frau tut versunken und mechanisch ihre Arbeit, darauf fällt der absichtslose Blick, und der Kreis schließt sich in Anmut. Es gibt kein besseres Wort dafür — aber es klingt wie Valium. Noch einmal Rainald Goetz (aus Hirn): »Es ist eine großartige traurige Geschichte mit der Grazie: Wir wollten etwas ganz Vernünftiges tun, den Fuß abtrocknen, haben das eher versehentlich so schön getan, daß wir im Spiegel des Beifalls von der richtigen Seite nicht ohne Schreck die Grazie unserer Bewegung erkennen mußten und rabberdiboing: alles kaputt, Unschuld, Grazie, Schönheit, Richtigkeit, alles weg. Das Beste, das Richtige gelingt einem [...] nebenbei.« Das ist eine offene Empfehlung, Kleists Marionettentheater wieder zu lesen. Und zwar unter dem Aspekt, daß die Pointe des Films und der Blow-ups darin liegt, daß die Frau (Erna) mongoloid und auf eine punktuelle Perspektive beschränkt ist. Alle Fragen offen. Peter Herbstreuth

Gudrun Wassermann. Galerie Ermer, Knesebeckstraße 97, Berlin 12. Di. bis Fr. von 16 bis 19, Sa. von 13 bis 17 Uhr, bis 6. Oktober.

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