: Das Amt, die Alten, der Tod
■ Ein Essener Gericht machte Leichenbestatter zum Altenpfleger / Der Beerdigungsunternehmer wurde zum "Gebrechlichkeitsbetreuer"
Essen (taz) - Ein Vormundschaftsgericht in Essen hat einem Beerdigungsunternehmer die Betreuung von sechs alten Menschen übertragen. Der Leichenbestatter darf damit nebenberuflich das Amt eines sogenannten Gebrechlichkeitspflegers ausüben. Den makaberen Fall machte gestern die nordrhein-westfälische FDP-Landtagsfraktion in Düsseldorf bekannt.
Der rechstpolitische Sprecher der FDP Heinz Lanfermann zeigte sich „entsetzt über die mangelnde Sensibilität des Gerichts“: ein Leichenbestatter provoziere die Gedanken alter Menschen an den Tod geradezu. Er verlangt nun von dem zuständigen Justizminister Rolf Krumsiek, diese „makabere Justizpraxis“ aufzuklären.
Die FDP-Landtagsfraktion nimmt an, daß Essen kein Einzelfall ist. Ihr Sprecher: „Die Begründung des Essener Gerichts, es gebe zu wenig Menschen, die alte Leute betreuen wollen, Beerdigungsunternehmer aber fänden sich dazu bereit, hat uns auf die Vermutung gebracht.“
Das Düsseldorfer Justizministerium gab daraufhin auf Anfrage bekannt, es habe bereits Stichproben in vier Städten des Landes gemacht. Daraus könne man folgern, daß es sich bei der Essener Praxis um eine Ausnahme handele. Das Amt der Gebrechlichkeitspflegschaft kann von jedem übernommen werden, ist allerdings nicht mit der herkömmlichen Altenpflege zu vergleichen. Vormundschaftsgerichte teilen alten Menschen dann in dem Fall PflegerInnen zu, wenn diese selbst nicht mehr in der Lage sind, Behördengänge zu machen.
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