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Durchs DröhnlandDann beginnt das Schaben

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Die Klischees drängen sich nur so auf: Gütersloh, auch eine jener deindustrialisierten Städte auf dem flachen Land, die sich immer solange auf dem Sprung ins nächste Jahrtausend wähnen, bis jemand auf die Idee kommt, die Arbeitslosenquoten nachzuschlagen. Aus so einer Gegend müssen harte Gitarren und mittelmies gekickter Zweitligafußball herkommen.

Ostwestfalen, wo die Menschen eher stur sind, nicht gern so viel reden und statt dessen einen trockenen Humor pflegen. Da müssen Hardcore und Kick and Rush herkommen. Andererseits: Daß das mit den Klischees in dieser Gegend irgendwie nicht mehr so richtig hinhaut, führen gerade Borussia Dortmund jeden Samstag vor.

Thumb sind angetreten, eine weitere, wenn auch ungleich unerwartetere ostwestfälische Erfolgsgeschichte zu schreiben. Sie dürften so ziemlich die erste Band aus dem Genre gewesen sein, die direkt bei einer Major-Plattenfirma landete. Das war allerdings kein Zufall, denn schließlich war die gesamte Musikindustrie verzweifelt auf der Suche nach den neuen H-Blockx.

Thumb aber schafften es nach den ersten unvermeidlichen Ausverkaufsvorwürfen tatsächlich, sich kaum verbiegen zu lassen und sogar die alten Crossover-Fans zu behalten. Hier ist dann Konsequenz das Stichwort: So haben sie sich schon mal geweigert, eine Tour zu spielen, weil sich herausstellte, daß die von der Bravo präsentiert werden sollte.

Auf ihrem zweiten, aktuellen und ziemlich erfolgreichen Album „Exposure“ findet sich wieder mal der obligatorische Vegetarier-Song und vor einiger Zeit posierte die ganze Band nackt für eine Kampagne gegen Pelze. Immerhin eine Melodie haben sie sich gegönnt, die auch den Geldgebern feuchte Blütenträume beschert.

Doch der Song heißt dann ausgerechnet „Sell Myself“ und sein Text läßt sich durchaus lesen als Auseinandersetzung mit dem Ausverkauf und Absage an die überzogenen Forderungen von allen Seiten. Sie mögen sich nicht unter Druck setzen lassen, versuchen es schlußendlich aber dann doch fast allen recht zu machen. So steuert Jens Gößling alias DJ Lupe von den Plattenspielern aus Scratches bei, die inmitten der satten Breitseiten dem gestandenden Headbanger nicht unangenehm auffallen, dem Quintett aber einen gewissen Grad an Innovationswillen sichern, der sich auch bei anderer Klientel nicht schlecht macht.

Zum einen spielen sie weiter fleißig auf Skater-Festivals, was sie schon der Vergangenheit von Sänger Claus Grabke schuldig sind, der einst Profi-Skater und mehrfacher Europameister war. Zum anderen rappt ihnen Thomas D. von den Fantastischen Vier einen Song voll. Und als wäre das noch nicht Spagat genug, wurden sie von den Scorpions im Studio besucht, und Rudolf Schenker hat ihnen daraufhin eine seiner Gitarren geschenkt – das gute Stück war handsigniert.

Mit den Beatsteaks und 59 Times The Pain, 9.1., SO 36, 20 Uhr, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Wenn der junge Mann verstört ist, quält er gern seine Gitarre, was allemal besser ist, als sein Mütchen am Mitmenschen zu kühlen. Jullander mögen aus Hamburg kommen, doch frönen sie dieser uramerikanischen Tradition und verschachteln die Gefühle zwischen derben Lautstärkeschwankungen, rhythmischen Unregelmäßigkeiten und atonalen Anfällen. So entsteht dann eine herbe Schönheit, bestenfalls so lange, bis Peinlichkeit droht. Dann beginnt wieder das Schaben, und das ist gut so.

Mit Shoshoni, 9.1., 21 Uhr, Lychener Straße 60, Prenzlauer Berg

In der oberbayerischen Provinz hat sich etwas getan. Im netten Städtchen Weilheim hat sich aus demselben Personal, das zuvor mit amerikanisch weiter Gitarrenmusik glänzte, eine Szene entwickelt, die mit der Ideologie von Indie sich an aktuellen Errungenschaften von Elektronik und Tanzboden versucht.

Wo früher fast ausschließlich Notwist war, sind heute diverse Projekte und vor allem das Label Payola, das neben Kitty-Yo landauf landab als Weg aus der allgemeinen Sackgasse gefeiert wird. Mal zu fünft, dann zu siebt, aber nie zu dritt ist man beim Tied and Tickled Trio, das eine Quersumme aller Weilheimer Bands bildet. Dort geht man aus vom Grundgerüst, das die Postrock- Bands in der Nachfolge von Tortoise entworfen haben, aber läßt über den monotonen, der Elektronik entlehnten Rhythmen dann plötzlich träumerischen Jazz triumphieren.

Der Reiz der Diskrepanz zwischen Kühle und Wärme, zwischen Sample und Saxophon stellt dabei noch das Innovativspielchen in den Schatten. Das Tied and Tickled Trio mag sich auf der Höhe der Zeit befinden wie sonst niemand, vor allem aber macht es die wunderschönste Instrumentalmusik des Planeten. Ist wirklich wahr.

Mit Console, 13.1., 21 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Granfaloon Bus waren einmal eine Band, die vom sicheren Schoß San Francisco aus die endgültige Zerlegung amerikanischer Country-Mystik betrieb. Mit den Jahren scheint man nun selbst darauf reingefallen zu sein – im positiven Sinne. Ihre letzte Platte „Sleeping Car“ wird allerorten als Meisterwerk gefeiert, obwohl oder gerade weil sie eher nach Country klingt als die älteren, disparateren Aufnahmen. Als hätte man bei Granfaloon Bus Frieden gemacht mit der einstigen Haßliebe.

Vielleicht sind auch einfach nur die Songs besser. Vielleicht ist auch mal wieder die Zeit reif für den x-ten Versuch, aus Country doch noch die Rettung der weißen, songorientierten Musik herauszuholen. Aber wenn Granfaloon Bus eine fast verschämte Trompete durch „Free Gold Halo“ tröten lassen, oder in „Remains“ die Instrumente auseinanderzufallen drohen in den Pausen, aus die der Song hauptsächlich besteht, dann merkt man dann doch wieder, daß die Liebe zum Country doch nicht so unkompliziert ist, wie sie einem in letzter Zeit manchmal erscheinen mag.

Mit Todd McBride, 13.1., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Ach ja, die Rainbirds. Wenn es sie nicht gäbe, würde sie auch keiner erfinden wollen. Seit Katharina Franck nach den ersten Erfolgen ihre Band feuerte, es aber dann doch nicht wagte, den projektierten Neuanfang auch mit einem neuen Namen zu markieren, schlagen sich die Rainbirds mit falschen Erwartungen herum. Sie sind nun mal keine Popband mehr, sondern sie sind nun eine Popband mit Anspruch. In ihrem Fall haut das aber halt nicht hin, weil die Ideen schlicht und einfach zu dünn gesät sind.

Die Schuld an der dieser Misere schieben Katharina Franck und ihre ständige Mitstreiterin Ulrike Haage nun „Beratern und ehemaligen Mitgliedern der Gruppe“ in die Schuhe, die verhindert hätten, daß die Band ihre eigenen Wege ging. Und die miesen Reaktionen in den vergangenen Jahren erklärt man sich damit, daß so ein eigener Weg dann natürlich „Fans wie Kritiker irritiert“. Man kann es sich aber auch einfach machen.

13.1., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg Thomas Winkler

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