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Dalai LamaKuschelteddy von Schwarz-Grün

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Die Bundeskanzlerin empfängt ihn, Roland Koch darf ihn einen Freund nennen. Warum sind sich Schwarz und Grün so einig, wenn es um den Tibeter geht?

Der "ozeangleiche Lehrer" (rechts) und sein lieber Freund Bild: dpa

Mit dem Blick von für Spirituelles eher unempfänglichen Charakteren, also für Gottlose oder einer überirdischen Instanz nicht bedürftige Menschen, sah dieser Vorfall vom Wochenende so aus: Ein Mann, der seit Jahren durch die Welt reist und absolut der Mode widersprechende Klamotten trägt, wird von einer Frau aus Gründen, die nicht weiter erläutert wurden, an ihrem Arbeitsplatz empfangen. Das wiederum hat Menschen nicht gefallen, die das von dem Weltreisenden beanspruchte Fleckchen Erde am Himalaja seit vielen Jahren besetzt halten - und der Gastgeberin in Berlin nun signalisieren, dass das politisch ganz unpassend sei, wenn sie nun in ihrem Büro, akkompagniert von einer absehbar mächtigen Medienaufmerksamkeit, diesen Mann zu sich lädt. Dass hier die Rede ist von Angela Merkel und einem Herrn Dalai Lama, ist leicht zu entziffern.

Der Decodierung aber bedarf eventuell, dass dieser "ozeangleiche Lehrer" (wie der Name aus dem Mongolischen übersetzt werden kann) des Buddhismus so häufig von konservativen Menschen hofiert wird. Weshalb bloß riskiert die ja Gott sei Dank nicht missionarisch, sondern realpolitisch im Sinne ihres Postens als Leitende Angestellte der Bundesrepublik agierende Kanzlerin solch einen Rummel um einen in religiöser Sache Reisenden, der ihr in Sachen Menschenrechtspolitik kaum behilflich sein kann? Und warum bloß finden den Herrn Lama immer Konservative besonders gut, der hessische Ministerpräsident Roland Koch etwa, der sich einen Freund des Tibeters nennen kann?

Wie in allen religiösen Dingen muss auch hier zur Klärung auf das methodische Mittel der gediegenen Spekulation zurückgegriffen werden. Hat das durch und durch buddhistisch verwölkte Werk des Hermann Hesse doch mehr Einfluss als nur auf die jugendlichen Szenen der frühen Alternativen der Sechzigerjahre gehabt - auch auf Gemüter, die ihnen nicht zugehören wollten? Hat die "Kunst des Liebens" von Erich Fromm, noch so ein Klassiker der "Allen wohl und niemand weh"-Mentalität, in die schwarzen Milieus hineinwirken können? Denn nur Menschen der unfrommsten Niedertracht erkennen ja im Denken des Herrn Lama mehr als eine Offerte zur Schnupperreligion, zur intellektuellen (wenn man so will) Wellness mit seit langem modischem Asia-Touch? Ist, so gesehen, dieses Oberhaupt eine Art Menschwerdung des allzu Luftigen, einer, der von Ökonomie nichts weiß, dafür umso mehr von Herzeleid mitteleuropäischer Stubenbürger, die dem Leben dringend einen Sinn abringen wollen?

Könnte man nicht diesen Tibeter und all seine Gebetsmühlen als Menschen nehmen, der für alles Interesse äußert, also, frei nach Kant, für nichts? Der die Liebe ohne Leidenschaft denkt, mithin lieblos? Ist mit Herrn Lama nicht eine Sehnsucht entzündbar, die Schwarze wie Grüne gemeinsam am meisten mit Inbrunst hegen, nämlich die Welt als lediglich Diesseitige zu sehen? War nicht Petra Kelly (selig) eine sich verzehrende Kämpferin für ein religiös astreines Tibet? Und passt das nicht prima zusammen - diese konservative Liebe zu den gläubigen Dingen am Rande des Himalajas wie die der Grünen?

Und weshalb fragt niemand so recht, dass möglicherweise eine entfaltete Ökonomie Chinas eher dazu beitrüge, Tibet aus religiösen wie kolonialen Fesseln zu befreien? Nur aus Takt nicht, weil Herr Lama gerade wieder mal zu Besuch ist? Weil keiner dieses Opium des mittelschichtigen Volkes als solches benennen möchte? Im Grunde, so viel Antwort muss möglich sein, verkörpert diese Politik des menschenrechtlichen Getues ein wohlfeiles Nichts des Politischen. Roland Koch und Angela Merkel und Jürgen Rüttgers (der sich an beide anhängt) sind globale Menschenrechte gewiss wichtig - warum aber gerade die dieses Tibeters ein besonderes Anliegen sind, erschließt sich nur aus dem Charakter dieser Religion: Man darf sich seinen göttlichen Teil denken, ohne dass es irgendetwas kostet. Die Geschäfte mit China gehen weiter. Fruchtbar, produktiv und politisch demokratieförderlicher allemal.

Hübsch aber zu wissen, dass der Deutschen Neigung zum spirituell Halbgaren sowohl bei den Grünen wie bei den Schwarzen eine feine Heimat findet. Sogar zu Bürozeiten, und seien es jene der Bundeskanzlerin. Dass die sich brüskiert fühlende chinesische Führung das Amt nicht für eine Privatwohnung hält, muss respektiert werden: Es war doch auch genau so beabsichtigt.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!

7 Kommentare

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  • DB
    Dirk Biestmann-Kotte

    Vielen Dank für Ihren Artikel über jenen buddhistischen Pastor aus der Bild-Zeitung, der ja so anziehend wirkt auf die romantische Seele seiner grün-schwärzlichen Bewunderer und deren Befindlichkeit, die, wie man an den Kommentaren sehen kann, keinen Widerspruch duldet.

  • VD
    van de Wetering-san

    Ich bin immer wieder amüsiert, dass westliche Journalisten verschiedenster Coleur nicht davon lassen können, auf die angebliche Schlichtheit der Aussagen des Dalai Lamas hinzuweisen. Im ach ebenso kritischen SPIEGEL wurde der Dalai Lama in einem Artikel anlässlich seines Besuchs in Deutschland mit der Aussage zitiert: "Ich bin für Sie das, was Sie in mir sehen wollen." Dies bezog sich damals auf die unzähligen Prominenten, die ihn als Vorbild und Leherer auserkoren haben. Deren Verständnis des Buddhismus ist ähnlich geartet wie das der meisten Leute in unserem westlichen Kulturkreis: recht oberflächlich. Weshalb der Dalai Lama hier bei uns nicht missionarisch tätig ist, sondern auf die Vorzüge des christlichen Glaubens hinweist, der in seiner ursprünglichen Form viele gemeinsame Schnittmengen mit der buddhistischen Lehre hat. Leider arbeitet die Amtskirche mit aller Vehemenz daran, diese Grundwerte zu verraten -zugunsten von Intoleranz und Ausgrenzung (Thema Homosexualität oder Ratzingers jüngste Ergüsse zum Thema Einzigartigkeit der katholischen Kirche...). Ergeht sich der Dalai Lama bei seinen Bescuchen hierzulande im Verkünden von Allgemeinplätzen, so liegt dies meiner Ansicht nach schlicht und ergreifend daran, dass er sich der Begrenztheit unseres Denkens bewußt ist, das den Buddhismus in seiner Tiefe nicht erfassen könnte. Wir sehen uns in ihm in einem Spiegel, wir hören Allgemeinplätze, weil wir nichts anderes verstehen würden. Auch ich habe mich nur oberflächlich damit beschäftigen können und will daher gar nicht anmaßend daherreden. Aber angesichts des oben angeführetn Zitats treiben mir die Versuche, den Dalai Lama als angeblichen Esoterik-Blender entlarven zu wollen immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Schließe mich in diesem Sinne den Worten von Viana do Castello an..

    Beste Grüße

  • TJ
    Tinn Jipie

    Von einem Zeitungsartikel erwarte ich im Allgemeinen Information und Aufklärung -- nicht wie im "Kuschelteddy"-Artikel zu lesen Desinformation und Ideologiebrei, der vom geneigten kommunistischen Leser womöglich noch leicht verdaut wird.

     

    Ich dachte die taz sei recht progressiv eingestellt.

    Aber anscheinend nicht progressiv genug, um Lügengespinste als solche zu erkennen:

    Religion (an sich) ist kein Opium fürs Volk.

    Speziell hinsichtlich der buddhistischen Lehre wäre es irrwitzig, diese Mao-Behauptung aufrecht erhalten zu wollen.

     

    Sucht, Gier, Anhaften, Verblendung - als Äquivalente fürs Opium sind gerade die Dinge (neben Hass u.a.), die es mittels des Buddhismus zu überwinden gilt!

    Dies ist das Kerninteresse der buddhistischen Lehre.

     

    Der chinesische Kapitalismus und die chinesischen "Entwicklungsbemühungen" (z.B. auch in China) verfolgen ganz offensichtlich nicht so reine, ehrbare Ziele wie die buddhistische Lehre.

     

    Über die unterschiedlichen Richtungen innerhalb des tibetischen Buddhismus mag man dieses oder jenes nicht nachvollziehen können.

    Für manche Hierarchien fehlt mir dort ebenfalls das Verständnis.

    Aber genauso (und noch viel mehr) finde ich manche Hierarchie und politische Verflechtung in China fragwürdig bis skandalös und unmenschlich.

     

    Die Wahrheit ist vielzu komplex, als dass es Erfolg versprechen könnte, sie einseitig wahrzunehmen oder darzustellen.

  • C
    Che
  • SH
    Sven Haubold

    Der Herr Feddersen hat doch erst vor kurzem (taz. 15.8.2007, Geiz ist gesünder) geschrieben, das er lieber bei Discountern einkaufen geht und McDonalds gut findet. Was soll da bei diesen eigentlich interessanten Thema auch rauskommen?

     

    Das ökonomische Anreize Tibet mehr helfen? Frei nach Lenin "Sibirien + Elektrifizierung = Kommunismus"? Oder die Neigung zum Spirituell Halbgaren? Das hatten wir auch schon im Staatsbürgerkundeunterricht gehört.

     

    Immerhin war zu DDR-Zeiten das Angebot im Konsum auch nicht viel anders als jetzt jetzt im ALDI. Auf diesen Niveau fühlt sich Herr Feddersen anscheinend wohl.

  • WS
    wolfgang stein

    Auch in diesem Kommentar von Jan Feddersen kommt das

    schleichende Gift des realpolitischen Journalisten-

    täters Günter Gaus durch, der einer ganzen Generation in der deutchen Presselandchaft leider

    immer noch als Vorbild gilt. Im Zweifel immer mit

    den Mächtigen, vorallem wenn es Kommunisten sind,

    dass war seine Maxime. Und die ist in der TAZ leider

    auch noch so, nicht immer, aber sehr oft.

  • VD
    Viana do Castello

    Schade, Herr Feddersen, Sie haben nichts verstanden!

     

    Alles Gute für Sie