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Dalai Lama wird Ehrenbürger von ParisÖl im Feuer

Sarkozy versucht, die Wellen des antifranzösischen Proteste in Peking zu glätten - derweil ernennt der Pariser Bürgermeister den Dalai Lama zum Ehrenbürger der Stadt.

Des Parisers Freud - des Pekinesen Leid. Bild: dpa

PARIS taz Trotz ausdrücklicher Warnungen der chinesischen Diplomatie hat die Stadt Paris den Dalai Lama zu ihrem Ehrenbürger ernannt. Selbst innerhalb der rot-grünen Mehrheit war diese Initiative des sozialistischen Bürgermeisters Bertrand Delanoë umstritten. Im Prinzip wäre zwar kaum jemand dagegen gewesen, den tibetanischen Nobelpreisträger in dieser Form zu ehren - wie zuvor schon die birmanische Oppositionelle Aung San Suu Kyi oder die iranische Menschenrechtlerin Shirin Ebadi.

Aber war das wirklich der Zeitpunkt, die bereits verärgerte chinesische Staatsführung noch zusätzlich zu provozieren? Dass man diese unfreundliche Geste in Peking gar nicht schätzt, teilte der chinesische Botschafter in Paris, Kong Quan, Delanoë in einem Brief mit: "Ich erlaube mir, Ihnen zu schreiben, um Ihnen zur Kenntnis zu bringen, wie sehr sich das chinesische Volk verletzt fühlt", weil die französische Hauptstadt mit der Auszeichnung des Dalai Lama dessen "sezessionistischen Aktivitäten" ermutige, welche "die territoriale Integrität und die Souveränität Chinas berühren".

Der chinesische Diplomat droht unverhohlen, dass damit die laufenden Bemühungen um eine Entspannung gefährdet würden: "Die französisch-chinesischen Beziehungen befinden sich derzeit in einem empfindlichen Stadium, und die Initiative der Stadt Paris droht das Vertrauen, die Freundschaft und die zwischen unseren beiden Völkern geschaffene Zusammenarbeit in Mitleidenschaft zu ziehen. Im Übrigen kann diese Initiative die Lage in Tibet nur verschlimmern, da die Sezessionisten dadurch zu gewalttätigem Verhalten ermuntert werden", meint Kong Quan.

Wie in anderen westlichen Städten hatten auch in Paris am letzten Wochenende Tausende von Auslandchinesen mit patriotischen Slogans demonstriert. Ihnen zufolge wird zu Unrecht gesagt, dass in der Volksrepublik die Menschen- und Bürgerrechte unterdrückt werden. Als Beleidigung für ihren Nationalstolz empfinden sie die Drohung westlicher Regierungen, die Eröffnungsfeier der Olympiade im August zu boykottieren. Seit Tagen protestieren kleine Gruppen von jungen Patrioten in mehreren chinesischen Städten vor den Carrefour-Supermärkten und fordern einen Boykott französischer Waren und Firmen.

Bürgermeister Delanoë fühlte sich der Staatsräson indes nicht so weit verpflichtet, dass er seinen Vorschlag deswegen zurückgenommen hätte. Wahrscheinlich passt es auch in sein politisches Kalkül als prominenter Exponent der linken Opposition, sich auf Kosten von Präsident Nicolas Sarkozy als Verteidiger der Menschenrechte und des Selbstbestimmungsrechts der Tibeter zu profilieren. Sarkozy hat drei hochrangige Emissäre, unter ihnen Ex-Premierminister Jean-Pierre Raffarin und Senatspräsident Christian Poncelet, nach China geschickte, um dort im Interesse der bilateralen Beziehungen und der gegenseitigen Wirtschaftsinteressen die Wellen der antifranzösischen Verärgerung zu glätten. Sarkozy entschuldigt sich namentlich wegen des Fiaskos der Olympischen Fackel in Paris. Poncelet überbrachte der diesbezüglich ein Schreiben an die behinderte Sportlerin Jin Jing, die wegen ihres Verhaltens gegenüber Demonstranten beim Pariser Fackellauf in ihrer Heimat als Nationalheldin gefeiert wird.

Dem französischen Staatschef ist aus längerfristigen wirtschaftlichen und politischen Gründen nicht an einer Eskalation mit gegenseitigen Boykottdrohungen gelegen. Auch wenn nach Meinung von Experten Chinas Exporte mehr zu verlieren hätten als Frankreichs relativ bescheidene Investitionen, hat Sarkozy wichtige Verträge (Bau von Atomkraftwerken und TGV-Linien) im Auge. Die Pariser Ehrenbürgerfeier durchkreuzt seine versöhnliche Pingpong-Diplomatie.

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2 Kommentare

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  • KV
    Klaus Vogt

    Dalai Lama, ein Gott zum Anfassen? Oder nur ein mediengeiler PR-Mann und Provokateur?

    Die Entrüstung über das chinesische Vorgehen in Sachen Tibet ist gut zu verstehen. Wir dürfen den harschen Unterdrückungsfeldzug der Chinesen nicht mit Schweigen übergehen. Den Dissidenten und den Minderheiten im Reich der Mitte gebührt unsere Sympathie, Unterstützung und Fürsprache. Aber sollten wir nicht genau abwägen, mit welchen Maßnahmen wir ihnen langfristig helfen und womit wir mehr Schaden anrichten?

     

    Dass der Bürgermeister von Paris, Betrand Delano?, nun den Dalai Lama und den chinesischen Bürgerrechtler Hu Jia zu Ehrenbürgern der Stadt Paris erklärt, ist, meines Erachtens, erstens keine sehr intelligente Aktion seitens der Stadt Paris und zweitens, ist sie tatsächlich eine Provokation seitens des Dalai Lama und Hu Jia, denn sie hätten, wenigstens zu diesem Zeitpunkt, wenn ihnen "Peace" doch so wichtig zu sein scheint, verzichten müssen. Zudem wird in dem Artikel richtigerweise erwähnt, knüpft der sozialistische Bürgermeister mit dieser Aktion lediglich an die von Jacques Chirac begründete Tradition an, im Rathaus der französischen Hauptstadt ein Zentrum französischer Paralleldiplomatie zu errichten.

     

    Olympia wie auch die Demokratie haben ihren Heiligenschein doch längst verloren. Seien wir hier im Westen wenigsten ein bisschen weniger verlogen, oder dürfen wir z. B. Waterboarding (= Folter), diverse Eroberungskriege, die brutalen Auswirkungen der Globalisierung zu den Stärken der Demokratie zählen? Mir scheint, dass es bei all den Protesten unterschwellig vor allem um das große Missbehagen des Westens angesichts der Wirtschaftsmacht China als solche geht, gegen die wir nichts ausrichten können, obgleich wir China im Rahmen der Globalisierung eben zu dieser unglaublichen Macht verholfen haben. In anderen Blogs gibt es Leute, die dann vorschlagen, dass Containerladungen von Billigtextilien aus so genannten chinesischen Ausbeuter- und Sklavenproduktionsstätten ins Wasser geworfen sollten, merken aber nicht, dass sie dabei waren, diesbezüglich das falsche Schwein zu schlachten.

     

    Vielleicht besitzen einige der nun so Aufgebrachten auch noch Aktien, deren Erträge nicht in Deutschland, sondern in China, unter teils menschenunwürdigen Umständen erwirtschaftet werden.

    Ja, liebe Leute, Entrüstung ist angebracht, aber bitte sachgerechte. Dazu kommt, dass Entrüstung allein doch keine Politik ist. Staatskunst ist von Nöten, die gleichzeitig den Tibetern hilft und die Entwicklung Chinas nicht behindert. Der Dalai Lama als Person ist doch voller Widersprüche. Wer glaubt, dass Tibet schon immer ein friedliches Land gewesen sei, täuscht sich. Noch bis 1950 hat es in dem fernöstlichen Land öffentliche Auspeitschungen gegeben. Und man höre und staune, dass die Tatsache einer Kommerzialisierung Tibets durch China seitens des Dalai Lama keineswegs mit Missvergnügen gesehen wird. Stattdessen begrüßt er die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritte für Tibet und fordert seine Mitbürger geradezu dazu auf, sich die ?extrem fleißigen Chinesen zum Vorbild zu nehmen.?

     

    Nachzulesen im Buch von Erich Follath: ?Das Vermächtnis des Dalai Lama. Ein Gott zum Anfassen.?

  • AP
    Adam Patyka

    Bravo Paris!

     

    So stelle ich mir Europa vor, kein Einknicken vor einer Usurpatoren Klicke, wen wir Europäer zu unseren Ehrenbürgern ernennen ist unsere Sache, da hat die Kommunistische Partei Chinas nichts zu melden.