piwik no script img

Daimler verlegt C-Klassen-ProduktionDas Auto neu erfinden

"Verlagerung der C-Klasse", das klingt nicht unbedingt schrecklich. Ist es aber. Und es zeigt, wie zerbrechlich der wirtschaftliche Motor im Südwesten Deutschlands ist.

Protest in der Dämmerung: Mercedes-Benz-Arbeiter in Sindelfingen. Bild: dpa

Der baden-württembergische Nochministerpräsident Günther Oettinger hat die Zeichen der Zeit erkannt. Zumindest fast. "Ein Elektromobil muss nicht gezündet werden. Da kommt ein Schalter. Dann ist an", sagte er vor zwei Wochen auf dem Landesparteitag seiner CDU in dem ihm eigenen Stakkato. Er zählte in freier Rede Dutzende Firmen im Südwesten auf, die Zündkerzen, Kurbelwellen, Getriebe oder sonst was bauen. Alles Teile, die, sollten sich Elektroautos irgendwann durchsetzten, niemand mehr braucht. "Entweder es gelingt uns, bei der Neuerfindung des Autos dabei zu sein, oder unsere Wirtschaft fliegt raus", warnte Oettinger.

Also endlich ein paar Industriebrachen im Neckartal? Hausbesetzer okkupieren eine verwaiste Daimler-Zentrale in Stuttgart? Der künftige EU-Kommissar Oettinger sprach ein Problem an, das als strukturelle Zeitbombe im Südwesten der Republik tickt: die extreme Abhängigkeit der Region von der Automobilindustrie vor Ort - von Daimler. Wie einst der Bergbau das Ruhrgebiet prägte. Nun gab der Konzern bekannt, ab 2014 die Produktion nur einer einzigen Modellreihe, der C-Klasse, nach Bremen und in die USA zu verlegen. Daran hängen mit den Zulieferern über 5.000 Arbeitsplätze. Der Anfang vom Ende? "Mein Reflex war: Jetzt geht es auch bei Daimler los. Das wird so weitergehen", sagt der Bosch-Betriebsratsvorsitzende Hartwig Geisel der taz.

Die C-Klasse ist ein Symbol, genauso wie Daimler oder Bosch. Unternehmensgründer wie Robert Bosch, Karl Benz oder Gottlieb Daimler prägten das oft wahre Stereotyp über Schwaben: Wenn der was macht, dann macht er es ordentlich. Dübeln statt nageln. Daimler war für seinen Drang nach Perfektion bekannt und prägte das Motto des Unternehmens: "Das Beste oder nichts." Man ist stolz, bei diesem Unternehmen zu sein. Der Zulieferer Bosch befragt alle zwei Jahre seine Mitarbeiter nach der Stimmung im Unternehmen. Die Frage, die am häufigsten mit Ja beantwortet wird, ist die, ob man stolz darauf sei, ein Boschler zu sein. Damit ist eine Erwartung verbunden: Das Unternehmen sorgt für seine Mitarbeiter. Diese Selbstverständlichkeit der Identifikation ist ein Wirtschaftsfaktor: Sozialwissenschaftler sprechen von "untraded interdependencies", wechselseitigen Beziehungen, die nicht in einer Kostenanalyse erfasst werden können.

Die Mitarbeiter beim Zulieferers und beim Autobauer sind Fans des gleichen Vereins, man kennt die Verhaltensmuster des anderen - sogenannte informelle Institutionen erleichtern die Zusammenarbeit. All das sind seit Jahren eingespielte Faktoren, die Daimler mit einer Verlagerung der Produktion in die USA aufs Spiel setzt: Will der Vorstand sich tatsächlich von Wechselkursrisiken unabhängig machen und weiter just-in-time produzieren, müssen auch die Zulieferer für das neue C-Klasse-Modell ausgewechselt werden.

Ob die neue Struktur das Beste wird oder nichts? In der Wirtschaftskrise bricht das schwäbische BIP 2009 um unglaubliche 8 Prozent ein - parallel zur Autokrise. Das Problem ist bekannt: Schon 1993 sank die Wirtschaftsleistung im Südwesten um 4,7 Prozent. Seit damals versucht auch die Regierung, die Wirtschaft unabhängiger von der Automobilindustrie zu machen. Bisher mit mäßigem Erfolg, doch der Region bietet sich auch eine Chance. Besonders im Bereich der regenerativen Energien sind etwa mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg exzellente Forschungseinrichtungen aufgebaut worden. Die Branche selbst setzt aber gerade mal 800 Millionen Euro im Jahr um. Wirtschaft und Forschung sind eingespielt, Know-how ist vorhanden, das Potenzial für einen Strukturwandel wäre da.

Die neue Landesregierung scheint den Knall noch nicht gehört zu haben. Oettingers designierter Nachfolger Stefan Mappus sagt im Wesentlichen, dass alles so bleibt, wie es ist. Visionen und Lehren aus der Krise sind bisher komplett Fehlanzeige. Genau danach verlangen die Arbeiter, die jetzt gegen die Verlagerung der C-Klasse auf die Straße gehen. Es brodelt auch bei den anderen. Der Betriebsratschef von Porsche, Uwe Hück, rief den Daimler-Mitarbeitern am Dienstag zu: "Wir brauchen eine Revolution für sichere Arbeitsplätze."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • V
    vergangenheit

    Komisch, daß es keinen stört, daß Daimler fast sofort nach auslaufen der Megasubvention Abwrackprämie als Dankeschön seine Produktion ins Ausland verlegt. Hier sieht man sehr schön, wie die in Berlin regelmäßig ausmanövriert werden, ungestraft, denn schließlich ging es um Steuermilliarden. Und man sieht auch die "Dankbarkeit" der Unternehmen. Das sind ganz ungünstige Abhängigkeiten, die letztlich alle lähmen.

  • PW
    packen wir an

    Die geplanten Stellenstreichungen und die Verlagerung der Arbeitsplätze ist ein weiter Schlag in das Gesicht eines jeden Betroffenen. Uns wird gesagt das dies Aufgrund der Globalisierung so sein muss.

    Aber es ist kein Naturgesetz das es uns immer schlechter gehen muss. Denn uns müsste es eigentlich immer besser gehen ! Wir können mit immer weniger Aufwand immer mehr produzieren!

     

    Wir müssen nur endlich die Ursache angehen !

     

    Mehr dazu

     

    http://www.arbeitslosigkeit-besiegen.de

  • KK
    Klaus Keller

    Richtiges im Falschen könnte die Entscheidung auch sein, wenn das für Mercesdesverhältnisse "günstige" Volumenmodell in Bremen oder direkt in einem der wichtigsten Absatzmärkte gebaut wird.

    Bei der C-Klasse fallen die Transportkosten von Sindelfingen nach Bremen und von dort in die Welt weniger ins Gewicht als bei der teuren SL-Reihe die künftig in Sindelfingen gebaut werden soll.

    Sogar der Umweltrucksack der Herstellung und Auslieferung wird kleiner.

     

    Was machen die Schrauber erst wenn die Leute keine S- oder E-Klasse mehr haben wollen?

    Vielleicht wollen sie auch wegen dieser Furcht an der kleineren Reihe festhalten.

     

    Die Schwaben werden sich vermutlich was einfallen lassen müssen um Jobs außerhalb der Automobilindustrie zu schaffen die im günstigen Fall der Umwelt weniger schaden als Blechdosen auf Rädern.

    Je früher sie damit anfangen, desto besser.

     

    klaus keller hanau