: Daimler-Grundstück halb geschenkt
■ Ohrfeige der EG-Kommission für Berliner Senat/ Potsdamer Platz war das Doppelte wert
Berlin (taz) — Zu billig, befindet die EG-Kommission, hat der Berliner Senat den Potsdamer Platz im letzten Jahr an Daimler-Benz verkauft. Ob das Grundstücksgeschäft rechtmäßig war, soll bis Ende Oktober entschieden sein. Der „Gutachterausschuß für Grundstückswerte in Berlin“ hatte auf Bitten der EG Anfang Juli ein Zweitgutachten über den Grundstückspreis erstellt. Das 68 Seiten umfassende Papier — das der taz vorliegt — beziffert den Verkehrswert für das gut 60.000 Quadratmeter große Areal am Potsdamer Platz mit 179,7 Millionen Mark. Die Summe ist fast doppelt so hoch wie die von Beamten der Senatsbauverwaltung im April 1990 als Verkehrswert ermittelten und von Daimler bezahlten knapp 93 Millionen. Dem Stuttgarter Konzern könnte somit eine Nachzahlung ins Haus stehen.
Nach Auffassung von Michaele Schreyer (AL/ Grüne) bestätigt das Zweitgutachten die AL-Kritik am Vertrag mit Daimler-Benz in zweierlei Hinsicht: Der politische Freundschaftspreis, mit dem der Platz an Daimler verschenkt wurde, „war zu niedrig“. Zum anderen sei „die vertragliche Festschreibung der Baumasse an diesem Standort zu hoch“, so die AL-Umweltpolitikerin. Letzteres wurde auch von der Jury des derzeit in Berlin laufenden Städtewettbewerbs Potsdamer/Leipziger Platz kritisiert.
Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) indessen blieb dabei, daß der im letzten Jahr mit Daimler- Benz vereinbarte Preis „der vernünftigere Preis“ gewesen sei. Die Gutachter hätten offensichtlich Schwierigkeiten gehabt, sich in die Situation im April 1990 hineinzuversetzen, obwohl schon „mitschwinge“, daß es sich beim Potsdamer Platz um den Kernbereich der Bundeshauptstadt handele. Mit einer raschen Entscheidung der EG, so Meisner, rechne er nicht.
Für ihr abweichendes Ergebnis nennen die Gutachter mehrere Gründe. Während die Senatsexperten ein Gebiet „südlich des Landwehrkanals“ mit Bodenrichtwerten zwischen 900 und 1.100 Mark als Vergleichsmaßstab zugrunde gelegt hätten, habe sich der Gutachterausschuß für das „Vergleichsgebiet Ernst-Reuter-Platz/Hardenbergstraße“ entschieden, in dem damals Richtwerte zwischen 2.000 und 2.500 Mark geherrscht hätten. Zudem stelle die Größe des Grundstücks, so die Gutachter, „einen Seltenheitswert im Kernbereich einer Metropole“ dar. abc/hmt
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