Dahmer schuldig gesprochen

Milwaukee (ap) — Der Serienmörder Jeffrey Dahmer ist in einem der schaurigsten Prozesse der amerikanischen Rechtsgeschichte für zurechnungsfähig und damit für schuldig erklärt worden.

Das Geschworenengericht in Milwaukee faßte seinen Spruch nach fünfstündigen Beratungen am Samstag mit zehn gegen zwei Stimmen. Der 31jährige ehemalige US-Soldat in Deutschland, der die Tötung und grausame Verstümmelung von 17 jungen Männern gestanden hat, nahm das Urteil mit versteinertem Gesichtsausdruck entgegen. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet, wobei Dahmer für jeden der in dem dreiwöchigen Prozeß behandelten 15 Morde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden kann.

Während Richter Laurence Gram das Urteil der Geschworenen und eine Zusammenfassung der Anklagepunkte verlas, brachen Angehörige von Mordopfern in Tränen aus. Einige schrien auf. „Sie haben mir den verlorenen Glauben an unsere Justiz zurückgegeben“, sagte Teresa Smith, deren Bruder von Dahmer getötet worden war. Der die Verwandten der Opfer betreuende Pfarrer Gene Champion sagte: „Der Gerechtigkeit ist Genüge getan. Jetzt können die Erinnerungen heilen. Dies ist ein Segen für die Familien, ein Segen für die Stadt.“ Die Geschworenen hätten erkannt, daß Dahmer zur Beherrschung fähig gewesen wäre, erklärte Bezirksstaatsanwalt Michael McCann. „Dies war eine ungewöhnliche Person, und ich glaube, die Jury hat ihn durchschaut“, fügte der Vertreter der Anklage hinzu.

Statt der sonst im amerikanischen Strafrecht erforderlichen Einstimmigkeit genügte in diesem ungewöhnlichen Fall eine Mehrheit von zehn der zwölf Geschworenen. Einer von ihnen meinte, das ganze Verhalten des Angeklagten während des Prozesses habe gezeigt, daß Dahmer „überdurchschnittlich intelligent“ sei.

Die Beweislast für eine von Dahmer angestrebte Erklärung der Unzurechnungsfähigkeit lag nach amerikanischem Recht bei der Verteidigung. Obwohl die Schilderungen der Verbrechen — wie das Kochen abgeschnittener Köpfe, das Essen von Körperteilen und Geschlechtsverkehr mit Leichen — teilweise die Grenzen menschlicher Vorstellungskraft überstiegen, gelangte die Jury nicht zu der Überzeugung einer Krankheit des Angeklagten. Verteidiger Gerald Boyle sagte, die Angst vor der Einsamkeit und das Verlangen nach sexuellen Perversitäten habe Dahmer die Kontrolle über sein eigenes Tun verlieren lassen. Unter Hinweis auf die Nekrophilie — den Sexualverkehr mit Leichen — sagte Boyle: „Dies war kein böser Mensch. Dies war ein kranker Mann, dessen Krankheit den Grad einer geistigen Behinderung erreichte.“ Boyle sagte, Dahmer habe ihm für seine Verteidigung gedankt. Der Staatsanwalt hatte hingegen argumentiert, Nekrophilie sei keine geistige Behinderung, sondern nur eine Verhaltensstörung.

Dahmer hatte die Ermordung von 17 Menschen in einem Zeitraum von 13 Jahren zugegeben, angefangen mit der Tötung eines jugendlichen Anhalters im Juni 1978. Zuletzt konnte im Juli vergangenen Jahres eines seiner Opfer in Handschellen gerade noch fliehen und die Polizei auf seine Spur bringen. In Dahmers Apartment in Milwaukee, der größten Stadt des US-Staates Wisconsin, wurden im Kühlschrank mehrere Schädel gefunden. Zehn der Mordopfer waren Schwarze. Betroffen waren vor allem junge Homosexuelle. Zur Anklage kamen 15 Morde, da die erste Tat in Ohio geschah und für die zweite nicht genügend Beweismittel vorlagen.

Nach der Verkündung des Strafmaßes wird Dahmer seine Haft voraussichtlich im Zuchthaus Columbia im Süden von Wisconsin absitzen. Dort ist eine von sechs Hochsicherheitszellen für ihn reserviert. Bei seinem Geständnis sagte Dahmer: „Es ist schwer für mich zu glauben, daß ein Mensch das getan hat, was ich gemacht habe. Aber ich weiß, daß ich es getan habe.“ Lisa Holewa