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Daheim

■ Fanny Müller - Die 23. Geschichte von Frau K.

ach drei Monaten bin ich endlich wieder zu Hause. Hamburg grüßt mit Hochwasser fünf Meter über Normal und überfrierender Nässe. Frau K. und Trixi empfangen mich an der Haustür: „Sie sehn aber braun aus. Die Handwerker warn da.“ Die Mitteilung, daß die Russen dagewesen wären, hätte mich noch vor zwanzig Jahren in einen ähnlichen Begeisterungstaumel versetzt. (Heute muß man ja mehr mit der UNO rechnen). „Was ist es denn diesmal?“ Das Klo. Renate unter mir soll ja knietief in der ... Ich werfe einen Blick ins Bad. Eine reife Leistung, selbst in einer Zeit des allgemeinen Sittenverfalls: Die Hälfte der Kacheln ist weggeschlagen und nicht ersetzt worden. Die Handtuchhalter sind abgebrochen. Der Duschvorhang besteht jetzt aus zwei Teilen und die kleine Wanne, in der ich meine nasse Wäsche zu transportieren pflege, ist verschwunden. Die Kloschüssel ist innen irgendwie grau. Da haben sie die Reste vom Kleber reingeschüttet, die sich mit dem Porzellan aufs innigste vermählt haben. Frau K. hat es nämlich schon mit Scheuern versucht. „Ich hab denn gesacht, daß Sie bestimmt gleich mitten Rechtsanwalt ...“ Da können die aber Gift drauf nehmen. „... und denn ham die gesacht, daß die morgen früh wiederkomm– ...“ Genial. Ich bin seit 36 Stunden auf den Beinen und hundemüde, beziehungsweise habe einen Jetlag, wie meine im Lifestyle-Jargon besser bewanderten Freunde es ausdrücken würden. Und mitten in der Nacht kommen die Handwerker. Bringen ihr Radio mit, rauchen Zigaretten, telefonieren auf meine Kosten mit der Firma oder Amerika oder was weiß ich mit wem und versauen mir die Auslegware. „Sie könn– auch bei mir aufen Sofa ...“ bietet Frau K. an. Nein danke, das Sofa ist Trixis Domäne und selbst wenn sie in der Küche eingesperrt wird – ich bin noch zu kurz in Hamburg, als daß meine Geruchsnerven schon nicht mehr funktionierten. Um zwanzig Uhr liege ich im Bett, bin aber um zwei Uhr morgens wieder glockenwach. Ich sehe die angesammelten Zeitungen durch: „Ein Tampon kann nicht König werden.“ Sind die denn alle verrückt geworden? Es wird acht Uhr. Es wird neun Uhr. Es wird zehn Uhr. Kein Handwerker. Die Mafia hat heute offenbar die Zerschlagung anderer Wohnungen auf dem Zettel. Ich setze Kaffeewasser auf und greife zu den Gelben Seiten. Irgendwo in der Nähe gibt es doch dieses Last minute Reisebüro. Man muß ja nicht immerzu allem und jedem die Stirn bieten wollen.

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