Dafur-Flüchtlinge: Angst in den Lagern von Goz Beida
In den Flüchtlingslagern im Südosten des Tschad leben Zehntausende Flüchtlinge. Der Konflikt zwischen arabischer und afrikanischer Bevölkerung ist aus Darfur herübergeschwappt.
GOZ BEIDA taz "Es gibt eine arabische Ideologie, die das koloniale Denkschema benutzt, um Schwarze auszurotten und ihr Land zu stehlen. Nicht nur hier in Zentralafrika, sondern auf dem ganzen Kontinent." Es ist eine schwere Anschuldigung, aber Sultan Said Brahim spricht ruhig und überlegt. Er sitzt auf einem bunten Teppich, die Mauern seines Palastes spenden ihm Schatten. Der Sultan war Professor an einer französischen Universität, ein Intellektueller, der erst denkt und dann spricht. "Ich weiß, das klingt absurd, aber die Realität gibt mir recht."
Der 60-jährige spricht über den Konflikt zwischen Tschadern arabischer und afrikanischer Herkunft, der 170.000 Menschen in die Flucht getrieben hat. Zehntausende Flüchtlinge leben in vier Lagern bei Goz Beida, dem Hauptsitz des fünfhundert Jahre alten Sultanats von Dar Sila im Südosten des Tschad. Said Brahim hat als traditioneller Chef der Region versucht, der Gewalt ein Ende zu bereiten. Viermal ist er damit gescheitert.
Dar Sila grenzt an die sudanesische Region Darfur. Dort wütet seit über vier Jahren ein brutaler Krieg. Auf die Forderung afrikanischer Rebellen nach mehr Geld für die Entwicklung ihrer Region antwortete die Regierung in Khartum mit dem Einsatz der sogenannten Janjaweed-Milizen, arabischer Nomaden, von der Regierung mit Waffen ausgestattet. Die Janjaweed vertrieben die afrikanische Bevölkerung aus ihren Dörfern. 2,5 Millionen Menschen sind geflohen, eine Viertel Million ins Nachbarland Tschad.
Seit dem Konflikt in Darfur wachse in Zentralafrika das Misstrauen gegenüber der arabischen Bevölkerung, sagt Sultan Said Brahim. Die Gerüchte mehren sich, die die Gewalt einem Plan der Araber zuzuschreiben: Diese würden die Idee einer arabischen Gemeinschaft vertreten, die der schwarzen, afrikanischen Bevölkerung überlegen sei. "Die arabische Gemeinschaft hat in Darfur festgestellt, dass die Afrikaner wenig Widerstand gegen ihre Vertreibung leisten. Jetzt will sie im Tschad weitermachen. Schon seit dem elften Jahrhundert versuchen Araber, aus Afrikanern Sklaven zu machen", meint Sultan Said Brahim.
In der Sahelregion leben die Stämme arabischer Herkunft meist als Nomaden, die mit ihren Tieren umherziehen. Die afrikanischen Stämme bestehen überwiegend aus sesshaften Bauern. Seit die Wüste sich nach Süden ausbreitet, wird Sahel, das Ufer der Sahara, schmaler und trockener, die Konflikte zwischen Viehzüchtern und Bauern um Land und Wasser nehmen zu. Bis zum Darfur-Konflikt gelang es den traditionellen Chefs immer wieder, zwischen den rivalisierenden Stämmen zu vermitteln. Das hatte ein Ende, als Sudans Regierung begann, den Konflikt politisch auszunutzen.
Seit Präsident Deby 1990 im Tschad an die Macht kam, hat er versucht, durch die Spaltung der Bevölkerung seine Macht zu festigen. Zuletzt hat er die Angehörigen des Stammes der Dadjo in Dar Sila mit Waffen ausgestattet, angeblich, damit sie sich gegen die arabischen Angriffe schützen können. Die Masse an Waffen hat die Region unsicherer gemacht und den Konflikt verschlimmert.
In Abschur, einem der wenigen Dadjo-Dörfer, aus dem die Bevölkerung nicht geflohen ist, schwören die Männer, allein mit Bögen und giftigen Pfeilen zwei Angriffe schwer bewaffneter arabischer Tschader zurückgeschlagen zu haben. In Goz Beida, 20 Kilometer entfernt, ist die tschadische Armee stationiert. "Die kamen erst, nachdem wir die Angreifer vertrieben hatten", meint einer der Dorfältesten. "Wir baten die Armee, hierzubleiben, um uns zu beschützen. Aber die Militärs wollen das nur gegen Zahlung machen. Wir haben kein Geld."
Die Männer sitzen im Schatten eines Strohdaches mitten im Dorf. Sie versuchen, sich zu einigen, was arabische Tschader eigentlich sind. "Das sind Weiße, die nur Arabisch sprechen, keine Stammessprache haben wie wir und Viehzüchter sind", meint ein blinder alter Mann - "aber es können auch Schwarze sein, die arabisiert sind. Die haben ihre Stammessprache vergessen, sind Viehzüchter geworden und leben nach arabischen Traditionen". Ein Junge sagt leise: "Schwarz oder Weiß, wir haben Angst vor den Arabern."
Dieselbe Angst herrscht auch in al-Jebel, dem einzigen arabischen Dorf bei Goz Beida. Es liegt auf einem Hügel, von hier kann man die sieben Kilometer entfernten Lager der Vertriebenen sehen. "Wir haben immer in Frieden mit unseren afrikanischen Nachbarn gelebt", sagt Scheich Hassen, während er ein Kamel auf die Knie zwingt, damit seine Frauen die Ladung abnehmen können. "Keine Ahnung, was schiefgegangen ist. Jetzt halten wir Abstand." Ein Mann kommt ins Dorf geritten. Er redet kurz mit Scheich Hassan, galoppiert wieder davon. "Das ist der Leiter der Karawane dort", erklärt Hassan und zeigt auf den Hügel hinter seinem Dorf. Dort zieht eine endlose Reihe von Kamelen, Kühen, Schafen, Eseln und Ziegen vorbei. Dazwischen Frauen auf Kamelen, Männer auf Pferden und Kinder auf Eseln. "Sie kamen gestern, um zu fragen, wie der Weg nach Norden ist, jetzt, wo die Regensaison begonnen hat. Ich habe ihnen geraten, sich von den Lagern fernzuhalten. Die Situation ist zu angespannt."
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