Dänemark warnt: Chemie wirkt wie Hormone
Die staatliche Umweltbehörde in Dänemark warnt vor der schleichenden Gefahr durch hormonähnliche Schadstoffe. Wohnumfeld, Kleidung und Essen bergen ein Risiko für die Menschen.
Jungen werden mit Fehlbildungen der Geschlechtsorgane geboren. Siebenjährigen Mädchen wachsen Brüste und Schamhaare. Die Samenqualität von Männern wird immer schlechter, und die Hodenkrebs-Rate steigt. Das sind höchstwahrscheinlich einige der Konsequenzen der Kombination hormonähnlicher und hormonbeeinflussender Stoffe, denen die Menschen in wachsendem Umfang ausgesetzt sind. So konstatiert es jetzt eine Studie der staatlichen Umweltbehörde in Dänemark.
Demnach braut sich im Laufe des Lebens eines heute Zweijährigen ein unheilvoller Giftcocktail zusammen, wenn man alle Schadstoffe addiert, die er aufnimmt - auch wenn diese jeweils unterhalb der zulässigen Grenzwerte bleiben. Die Kombination dessen, was von Chemikalien aus Jacke und Gummistiefeln, Sonnencreme und Spielzeug, Seife, Plastikflaschen und Lebensmittelfolien zusammenkommt, kann aus Gefahren und Risiken ein "entscheidendes Risiko" machen, konstatiert die Studie.
Dabei haben sich das Wohnklima und das Essen als die massivsten "Hormongefahren" erwiesen. Neben PCB vorwiegend durch Baumaterialien in Altbauten hebt die Studie vor allem die Gefahr durch Phthalate - speziell als "Weichmacher" in Plastikprodukten verwendet -, Bisphenol A und Parabenen hervor. Letztere werden wegen ihrer antimikrobakteriellen Wirkung gerne sowohl in Kosmetika wie in Lebensmitteln - hier als Konservierungsstoffe mit E 214 bis E 219 gekennzeichnet - eingesetzt. Bei Parabenen revidiert die Studie ausdrücklich eine bislang geltende Einschätzung als "risikoarm".
Die Regierung in Kopenhagen zog unmittelbare Konsequenzen aus ihrer eigenen Studie und startete gleichzeitig mit deren Veröffentlichung eine Kampagne, mit der Eltern und Erziehungsinstitutionen besser über die überall lauernden Chemiegefahren informiert werden sollen. Schon beim Einkauf sollte auf die Inhaltsstoffe von Möbeln, Teppichen, Kleidungsstücken und Schuhen geachtet werden. Elektronische Geräte sollten möglichst nicht in Räumen stehen, in denen sich Kleinkinder vorwiegend aufhalten. Zweimal täglich solle gründlich gelüftet und regelmäßig staubgesaugt werden. Spielzeug, das vor dem EU-Verbot von Weichmachern 2007 gekauft wurde, solle weggeworfen und bei neuem auf die CE-Markierung geachtet werden. Und man sollte sich bewusst sein, dass diese in Spielzeugen verbotenen Weichmacher in vielen Alltagsgegenständen nach wie vor enthalten sind.
Da die Situation bei Lebensmitteln und Lebensmittelverpackungen für den Laien unübersichtlich sei, empfiehlt die dänische Regierung für Kinder ein so variables Essen wie möglich, um so einer möglichen Konzentration immer gleicher Schadstoffe zu entgehen und so den Gefahrencocktail zu "verdünnen".
Bei Windeln und Hygieneartikeln empfiehlt Kopenhagen nur die Verwendung von Produkten mit der Umweltmarke "Svanen" ("Schwan"), einem vor 20 Jahren von den skandinavischen Ländern eingeführten Umweltsiegel. Im dänischen Parlament hat eine Mehrheit eine Gesetzesinitiative zu nationalen Verkaufsverboten angekündigt - zunächst was Parabene in Kosmetika und eine Reihe von Chemikalien in Spielzeug und Kinderkleidung angeht. Mit einem solchen Alleingang nimmt man ausdrücklich auch einen Konflikt mit der EU wegen vermeintlicher Handelshindernisse in Kauf, falls Brüssel nicht mitzieht. Dänemark pocht zudem auf eine Verschärfung der EU-Chemikaliengesetzgebung, die bislang kaum Rücksicht auf den Cocktaileffekt nimmt, dem die Menschen ständig durch eine Kombination dieser Schadstoffe ausgesetzt sind.
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