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Dänemark warntChemie wirkt wie Hormone

Die staatliche Umweltbehörde in Dänemark warnt vor der schleichenden Gefahr durch hormonähnliche Schadstoffe. Wohnumfeld, Kleidung und Essen bergen ein Risiko für die Menschen.

In Spielzeugen sind schädliche Weichmacher seit 2007 verboten. Bild: dpa

Jungen werden mit Fehlbildungen der Geschlechtsorgane geboren. Siebenjährigen Mädchen wachsen Brüste und Schamhaare. Die Samenqualität von Männern wird immer schlechter, und die Hodenkrebs-Rate steigt. Das sind höchstwahrscheinlich einige der Konsequenzen der Kombination hormonähnlicher und hormonbeeinflussender Stoffe, denen die Menschen in wachsendem Umfang ausgesetzt sind. So konstatiert es jetzt eine Studie der staatlichen Umweltbehörde in Dänemark.

Demnach braut sich im Laufe des Lebens eines heute Zweijährigen ein unheilvoller Giftcocktail zusammen, wenn man alle Schadstoffe addiert, die er aufnimmt - auch wenn diese jeweils unterhalb der zulässigen Grenzwerte bleiben. Die Kombination dessen, was von Chemikalien aus Jacke und Gummistiefeln, Sonnencreme und Spielzeug, Seife, Plastikflaschen und Lebensmittelfolien zusammenkommt, kann aus Gefahren und Risiken ein "entscheidendes Risiko" machen, konstatiert die Studie.

Dabei haben sich das Wohnklima und das Essen als die massivsten "Hormongefahren" erwiesen. Neben PCB vorwiegend durch Baumaterialien in Altbauten hebt die Studie vor allem die Gefahr durch Phthalate - speziell als "Weichmacher" in Plastikprodukten verwendet -, Bisphenol A und Parabenen hervor. Letztere werden wegen ihrer antimikrobakteriellen Wirkung gerne sowohl in Kosmetika wie in Lebensmitteln - hier als Konservierungsstoffe mit E 214 bis E 219 gekennzeichnet - eingesetzt. Bei Parabenen revidiert die Studie ausdrücklich eine bislang geltende Einschätzung als "risikoarm".

Die Regierung in Kopenhagen zog unmittelbare Konsequenzen aus ihrer eigenen Studie und startete gleichzeitig mit deren Veröffentlichung eine Kampagne, mit der Eltern und Erziehungsinstitutionen besser über die überall lauernden Chemiegefahren informiert werden sollen. Schon beim Einkauf sollte auf die Inhaltsstoffe von Möbeln, Teppichen, Kleidungsstücken und Schuhen geachtet werden. Elektronische Geräte sollten möglichst nicht in Räumen stehen, in denen sich Kleinkinder vorwiegend aufhalten. Zweimal täglich solle gründlich gelüftet und regelmäßig staubgesaugt werden. Spielzeug, das vor dem EU-Verbot von Weichmachern 2007 gekauft wurde, solle weggeworfen und bei neuem auf die CE-Markierung geachtet werden. Und man sollte sich bewusst sein, dass diese in Spielzeugen verbotenen Weichmacher in vielen Alltagsgegenständen nach wie vor enthalten sind.

Da die Situation bei Lebensmitteln und Lebensmittelverpackungen für den Laien unübersichtlich sei, empfiehlt die dänische Regierung für Kinder ein so variables Essen wie möglich, um so einer möglichen Konzentration immer gleicher Schadstoffe zu entgehen und so den Gefahrencocktail zu "verdünnen".

Bei Windeln und Hygieneartikeln empfiehlt Kopenhagen nur die Verwendung von Produkten mit der Umweltmarke "Svanen" ("Schwan"), einem vor 20 Jahren von den skandinavischen Ländern eingeführten Umweltsiegel. Im dänischen Parlament hat eine Mehrheit eine Gesetzesinitiative zu nationalen Verkaufsverboten angekündigt - zunächst was Parabene in Kosmetika und eine Reihe von Chemikalien in Spielzeug und Kinderkleidung angeht. Mit einem solchen Alleingang nimmt man ausdrücklich auch einen Konflikt mit der EU wegen vermeintlicher Handelshindernisse in Kauf, falls Brüssel nicht mitzieht. Dänemark pocht zudem auf eine Verschärfung der EU-Chemikaliengesetzgebung, die bislang kaum Rücksicht auf den Cocktaileffekt nimmt, dem die Menschen ständig durch eine Kombination dieser Schadstoffe ausgesetzt sind.

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19 Kommentare

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  • AB
    Andi B.

    @ Sarah: Selbstverständlich sind Öko-Themen wichtig. Aber sie setzen das Links-Rechts-Schema eben nicht außer Kraft! Ich denke sehr wohl mit, deswegen kommentiere ich ja. Nur hat, wenn man sich Gedanken darüber macht, offenbart die dänische Initiative eben mehr Facetten, als nur den Verbraucherschutz.

     

    1. Dänemark hätte gemeinsam mit den anderen skandinavischen Staaten - wenn sie es wirklich so ernst mit dem Verbraucherschutz meinen - entsprechend lasche Gesetzgebungen im EU-Ministerrat verhindern können. Warum haben sie das nicht getan? Ähnliches erleben wir bei der CSU in Bayern. Die CSU-Europaabgeordneten sind in Brüssel FÜR Gentechnik und daheim gegen Gentechnik, aber sagen, das böse Brüssel hätte sei nun mal FÜR Gentechnik. Das ist unglaubwürdig - in Bayern ebenso, wie in Dänemark.

     

    2. Die erzeitige dänische Regierungskonstellation aus Konservativen und Liberalen regiert seit 2001. Sie hat auch der EU-Chemikalienrichtlinie REACH und der Neufassung der Kosmetikrichtlinie 2003 zugestimmt. Warum hat Dänemark sich im Rat nicht zu Wort gemeldet und das Gesetz verhindert, bzw. versucht, schärfere Regeln durchzusetzen? Wo waren die Änderungsanträhe der Dänen im Parlament? Da war von Dänemakt nichts zu hören!

     

    3. Wenn die Dänen also vollmundig tönen, aber auf EU-Ebene nicht handeln, warum hinterfragt die taz das nicht und welches Ziel hat dann die Verbraucherschutzinitiative der Rechtsliberalen dänischen Regierung?

     

    Ich hätte im Zuge der Initiative den dänischen Konservativen und den dänischen Liberalen, sowie von der dänischen Regierung gerne gehört: "Ja, wir setzen uns auf europäischer Ebene konsequent für einen besseren Verbraucherschutz ein". Stattdessen höre ich: "Wir machen einen nationalen Alleingang." (der wahrscheinlich spätestens vor dem EUgH scheitert). Ich bin gespannt, wie Dänemark auf EU-Ebene künftig agiert. Ich fürchte jedoch, dass Sie daheim auf die populistische Pauke hauen und in der EU fleißig mitstimmen. SO kann es aber nicht funktionieren mit dem Verbraucherschutz!

  • S
    Sarah

    @Andi B.

     

    Du verfolgst den vollkommen falschen Ansatz. Die Umwelt und Gesundheit kenne kein kleingeistiges und strukturkonservatives Links und Rechts. Öko-Themen sind zu wichtig, um sie durch oberflächliche Relativierungsparolen abzuschwächen zu versuchen, dass passiert in der Politik schon konstant, daher versuche bitte mitzudenken.

  • S
    silv

    ... ja schon lange bekannt diese Geschichte. Ich dachte nur, in Dänemark wären Weichmacher in Lebensmittelverpackungen verboten. Dann wird es wohl noch kommen. Die Menschen leben dort bewusster als wir.

  • AB
    Andi B.

    Rechtspopulisten haben ein Herz für Verbraucher?

     

    Richtig, die dänische Regierung informiert lediglich. Was die Gesetzesinitiative angeht: Ein nationaler Alleingang wird in diesem Punkt gar nicht möglich sein, die Angelegenheit betrifft EU-Recht. Zudem stammt die Initiative nicht von der dänischen Regierung, sondern von den Koalitionsfraktionen aus Rechtsliberalen und Konservativen, sowie von der rechtspopulistischen Dansk Folketparti, die die rechtsliberal-konservative Regierung toleriert.

     

    Und ich stelle mir die Frage: warum entwickelen die Rechtsliberalen, die Konservativen und die Rechtspopulisten eine solche Initiative? Weil ihnen wirklich der Verbraucherschutz am Herzen liegt? Wohl kaum! Hier geht es darum, den rechten EU-Skeptikern vorzuführen, dass die EU für Gifte ist und alles Böse aus Brüssel kommt.

     

    Wer wirklich etwas für den Verbraucherschutz tun will, der muß auf europäischer Ebene ansetzen. So sind die politischen Realitäten. Die ganze Gesetzesinitiative der dänischen Rechten ist Schaumschlägerei.

     

    Was die taz angeht: das ein Artikel so blind einer rechtslastigen Initiative auf den Leim geht, habe ich selten erlebt. Bitte recherchiert auch die politischen Hintergründe!!!!

  • AL
    Anna Luehse

    Auch Schweden warnt (KRASS!):

     

    "... Höchstens 20 Prozent des eingenommenen Tamiflu werden nämlich vom Körper verwertet, die restlichen 80 bis 90 Prozent als so genanntes „Oseltamivircarboxylat“ (OC) wieder ausgeschieden. Über die Kanalisation erreichen sie zunächst die Klärwerke. ... "

     

    http://www.ksta.de/html/artikel/1246884014517.shtml

     

    Hierzu paßt:

     

    "Schweinegrippe-Medikament: Experten befürchten gravierende Nebenwirkungen

    Sollte es zu einer massiven Schweinegrippe-Pandemie kommen, plant man hierzulande den Einsatz des Anti-Grippe-Mittels Tamiflu.

     

    Hiervor warnen nun viele Experten. In Japan, wo das Medikament seit Jahren verwendet wird, soll es zu massiven Nebenwirkungen gekommen sein. So wird berichtet, dass es bei etwa drei Prozent aller japanischen Jugendlichen durch die Tamiflu-Einnahme zu starken Nebenwirkungen wie beispielsweise Halluzinationen gekommen sei. Außerdem könne man viele Unfälle auf Persönlichkeitsveränderungen bei Tamiflu-Patienten zurückführen. Nun sei es laut Pharma-Experten höchste Zeit, das Medikament neutral untersuchen zu lassen, schließlich hätten die Behörden bereits mehrere Millionen Einheiten eingelagert. Der herstellende Pharma-Konzern bestreitet die gravierenden Nebenwirkungen seines Verkaufsschlagers."

     

    http://www.shortnews.de/start.cfm?id=793912

     

    Das Internet vergißt (fast) nichts.

     

    "TOD DURCH TAMIFLU®"

     

    "18.11.2005, 08:12: Guten Morgen!

     

    Hat einer von euch heute die Süddeutsche gelesen??

    12 Leute sind an Tamiflu gestorben!!!

    WHO überlegt sofortiges verbot!"

     

    http://www.symptome.ch/vbboard/bakterien-viren-parasiten/2296-tod-tamiflu.html

     

    P.S.: Und immer schön gegen CO2 "kämpfen", wie von der Elite befohlen ... GöttInnen, laßt Hirn regnen.

  • M
    Meyer

    Wir erleben jetzt, weshalb Völker plötzlich von der Erde verschwinden. Sie sind es nicht mehr wert hier zu leben. Sie ruinieren alles, sich selbst und ihre Umwelt.

  • H
    hetty

    Die staatliche Umweltbehörde in Dänemark warnt vor der schleichenden Gefahr durch hormonähnliche Schadstoffe. Wohnumfeld, Kleidung und Essen bergen ein Risiko für die Menschen. Das ganz besonders die nachgemachten Arzneimittel die nur aus chemisch hergestellten Substanzen bestehen ebensolche Nebenwirkungen haben wird in diesem Artikel natürlich nich angeführt. Welche verheerenden Wirkungen dadurch entstehen werden wir aber noch erleben. Alles andere ist doch schon seit langem bekannt. Besonders die künstlichen Hormone der Antibabypillen die ja auch noch im Trinkwasser nachgewiesen werden.

  • T
    Tschörp

    Der Film: Wirklich anschaulich und äußerst informativ.

     

    Auch nett, wie man in einfachen Worten Synergieeffekte erklärt. Sagt die überraschte Wissenschaftlerin: 0+0+0 kann schon mal 7 ergeben.

     

    Bei Hormonen und hormonähnlich wirksamen Stoffen gibt es keine ungefährlichen Grenzwerte.

     

    Wir bedanken uns bei der chemischen Industrie für die flächendeckende Verseuchung der Welt mit hormonell wirksamen Pestiziden und der ubiquitären Verseuchung vieler Gebrauchsgegenstände durch Phtalate usw. Bei den Chemie-Lobbyisten bedanken wir uns, dass sie die Probleme schon jahrzehntelang immer wieder klein geredet haben.

    Und bei den Regierungen (BASF-Kohl!)der verschiedenen Ebenen bedanken wir uns, dass sie die Probleme rechtzeitig und nachhaltig ignoriert und nichts Zielführendes veranlasst haben.

  • KM
    korruptas ministerias

    Hab hier für interessierte eine Doku zu dem Thema...

     

    http://www.youtube.com/watch?v=nFBbbItpdc8

  • B
    BertX

    Wow!

     

    Bei einer Regierung die wirklich (zumindest im großen und ganzen) im Interesse des Volkes handelt, kann man als deutscher nur neidisch gen Skandinavien blicken.

     

    Ich bin mal gespannt wie die deutsche Politik eine ähnliche Studie interpretiert und abgehandelt hätte.

     

    Denn bei uns steht das Interesse der Unternehmen oftmals an erster Stelle.

  • K
    kneipenteufel

    "[...] und startete gleichzeitig mit deren Veröffentlichung eine Kampagne, mit der Eltern und Erziehungsinstitutionen besser über die überall lauernden Chemiegefahren informiert werden sollen."

     

    INFORMIERT!

     

    "Da die Situation bei Lebensmitteln und Lebensmittelverpackungen für den Laien unübersichtlich sei, empfiehlt die dänische Regierung für Kinder ein so variables Essen wie möglich, um so einer möglichen Konzentration immer gleicher Schadstoffe zu entgehen und so den Gefahrencocktail zu "verdünnen"."

     

    Wie lange seid ihr noch dabei? Wann hört ihr endlich auf zu grinsen und jagt mit uns zusammen dieses Drecks-System zum Teufel? Schleyer war nur ein Anfang. Hate the game, not the player.

  • K
    Kanen

    Chemie wirkt wie Hormone? Hormone sind doch auch Chemie.. etwas ungünstig gewählter Titel.

  • KB
    klaus baum

    Was Phthalate betrifft, so sollte man einmal darauf achten, wie schwer es ist, im Supermarkt Lebensmittel zu kaufen, die nicht in Plastikbehälter oder Plastikfolie eingeschweißt sind. Selbst im Bio-Laden Alnatura wird als Verpackung viel Plastik verwendet. Ich find's einfach nur grauenhaft. Und leichtsinnig.

  • MW
    Martin Wörner

    Wenn Verbraucherschutz zugunsten der Wirtschaft, des Geldes, aufgegeben (was in diesem Artikel anklingt) wird, ist dies wohl zwangsläufig das Ergebnis.

    Der Mensch muss endlich begreifen, dass seine größte Herausforderung nicht in der Rettung des Planeten liegt, sondern "schlicht" seinem eigenen Überleben; die Zeit drängt.

    Das wird keinesfalls leicht.

    Kann sein, dass wir wirklich raus müssen - aus der Wohnung, aus der Kleidung, und uns von dem ernähren, was sich kein Kapitalist ausgedacht hat.

  • E
    enno

    Die Problematik ist schon länger bekannt, aber es wird wohl noch ca. 5 - 10 Jahre dauern, bis dies im Bewußtsein unserer Gesellschaft ankommt. Vermutlicht erst dann, wenn sich unsere männlichen Nachkommen fragen, warum sie zeugungsunfähig sind.

  • M
    moritz

    sehr vorbildliches verhalten derdaenischenregierung. davon koennen sich deutsche und europaeische verbraucherschutzpolitker mal eine scheibe abschneiden

  • EE
    Emil Erlenmeyer

    Wenigstens ein Land und Parlament dem was an der Zukunft seiner Einwohner liegt. Solcherlei Vorstöße sind in Deutschland nicht zu erwarten. Dafür hat die chemische Industrie, die übrigens die meisten der obengenannten Stoffe herstellt wohl zu einflussreich. Mal abwarten aus welchen Land der meiste Widerspruch auf europäischer Ebene kommt, vermutlich Deutschland mit unserer heilsbringenden jesusgleichen, Schulden zu baren Geld verwandelnden Kanzlerin Angie Merkel.

    In diesem Sinne gute Besserung

  • F
    frosch

    gut so dänemark!

     

    ich glaube, unsere Regierung wird für so etwas leider nicht zu haben sein... :-(

  • G
    Gerald

    Für solch kritische Beiträge liebe ich die TAZ, auch wenn der Artikel hier wesentlich auf einer dänischen Regierungs-PM beruht. Bevor jedoch eine solch deutliche Warnung von einer deutschen Regierungsorganisation herausgegeben wird, schneit es hier eher bereits im Sommer.