piwik no script img

„Da hilft uns nur die Preag“

■ Interview mit Richard Harbort, Stadtwerke-Betriebsrat und Arbeitnehmer-Aufsichtsrat, über die Lage der Stadtwerke vor dem Anteils-Verkauf

taz: Knallen hier die Sektkorken, wenn der Verkaufsbeschluß endlich über die Bühne ist?

Richard Harbort: NSektkorken bestimmt nicht. Es ist für keinen angenehm zu wissen, daß Anteile verkauft werden. Nur unter den Voraussetzungen, daß wir uns auf einem Energienmarkt bewegen, müssen wir uns an starken Partnern orientieren. Alleine werden wir die Zukunft auf dem Energiemarkt nicht bewältigen können.

Welche Zukunft?

Die EU plant, auf dem Energiemarkt Durchleitungsrechte für Dritte zu erlauben.

Das bedeutet: Die Stadtwerke verlieren das Monopol auf Energielieferungen in Bremen.

Ja. Wir als Stadtwerke mit einer Eigenerzeugung von gut 90 Prozent müssen uns dann am Markt dem Wettbewerb stellen.

Sie befürchten, daß andere Anbieter dann den Strom preiswerter anbieten?

Das muß nicht sein, daß sie es billiger anbieten. Wir müssen aber damit rechnen, daß andere kommen und sagen: Wir brechen euch zwei Großabnehmer raus, ich denke nur an die Stahlwerke Bremen, die ein Drittel unserer Drehstromleistung bezieht, oder einen großen Autounterproduzenten. Wenn man dann Großproduzenten als Konkurrenz hat, ich sage nur EDF...

Electricité de France...

ja, oder auch andere, dann müssen wir mit jemandem zusammenarbeiten, der in der Lage ist, unsere Demarkationsgrenzen auch in Zukunft abzusichern.

Das heißt: Auch ohne Finanzierungsprobleme der Stadtgemeinde gäbe es gute Gründe, Energiekonzerne an den Stadtwerken zu beteiligen.

Zumindestens eine vernünftige Kooperation einzugehen.

Ausgerechnet mit der Preag?

Diesen Gebietsschutz kann aber kein Franzose garantieren. Da hilft uns kein Tractebel und kein Vattenfall. Das kann nur derjenige, der rundherum um Bremen sitzt, und das ist nun mal die Preag. Da kann uns nicht einmal die HEW helfen. Nur die Preag ist in der Lage, uns entsprechend abzusichern, auch wenn das einigen in der Politik nicht gerade angenehm ist.

Werden Preag und Ruhrgas als neue Anteilseigner über den Aufsichtsrat Einfluß auf die Unternehmenspolitik nehmen können?

Die Frage ist, was er verändert haben möchte. Wir sind ja froh, daß die Mehrheit der Anteile bei der Stadtgemeinde Bremen bleibt.

Die potentiellen Käufer müssen auch Bedingungen der Arbeitnehmer erfüllen: unsere Kraftwerksstandorte und Kapazitäten müssen erhalten bleiben, unser Gebietsschutz, unser Fernwärmenetz soll ausgebaut werden, unsere Tarifverträge müssen abgesichert werden, damit unsere Mitarbeiter etwas zwischen Daumen und Zeigefinger haben.

Würden Sie den Preag-Tarif übernehmen?

Wir haben hier einen Haustarif, mit dem sind wir gut gefahren. Die ÖTV verhandelt den für uns zusammen mit dem Öffentlichen Dienst. Ob die Preag einen besseren oder schlechteren Tarif hat, ist für mich eine sekundäre Frage.

Tractebel verlangt mehr Einwirkungsrechte...

... und zwar massiv. Die sagen von vornherein, daß sie bis 1999 bis zu 700 Arbeitsplätze abbauen wollen. So einen Interessenten kann ich nicht akzeptieren.

Könnte der Aufsichtsrat gegen die Stimmen der Arbeitnehmer entscheiden?

Der Aufsichtsrat ist paritätisch besetzt. Nun hat der Vorsitzende die Doppelstimme, die er ziehen kann. Man muß aber sehr, sehr lange zurückgucken, um einen Fall zu finden, wo die Doppelstimme gezogen worden ist. Er könnte es - aber das wäre ein Politikum.

Haben Sie mit Wedemeier über Tractebel geredet?

Natürlich.

Haben sie ihm da die Meinung gesagt?

Ich sage ihm öfter die Meinung.

300 Kollegen weniger?

Die Stadtwerke haben schon vor einem Anteilsverkauf eine interne Umorganisation begonnen, was auch zu einer Reduzierung der Mitarbeiteranzahl führen soll.

Jedes Unternehmen muß sich nach einer bestimmten Zeit die Frage stellen: Sind wir noch richtig und zeitgemäß organisiert. Wir haben das vor acht Jahren gemacht, hausintern, aber es war noch nicht das non plus ultra. Der Vorstand hat nun gesagt, um uns auf die Zukunft vorzubereiten, soll ein Entwicklungskonzept erarbeitet werden. Dafür ist ein externes Beratungsunternehmen, HBS, ins Haus geholt worden. Das hat uns nicht gerade mit jauchzenden Äußerungen versehen, aber wir sehen auch als Betriebsrat da die Notwendigkeiten.

300 Mitarbeiter werden nicht mehr gebraucht fürs erste.

Die Analyse wird ergeben, ob ...

Die liegt doch schon vor.

Das sind Möglichkeiten, wir haben aber schon festgestellt, daß das gar nicht umzusetzen ist. Wir wollen jetzt in Projektgruppen eintreten, um herauszubekommen: Wo kann man Veränderungen vornehmen. Wenn da unter dem Strich herauskommt, daß man gewisse Positionen nicht mehr braucht, dann muß man überlegen, was macht man mit diesen. Da sind wir mit dem Vorstand in Verhandlungen über Interessenausgleich nach § 111 und einen Sozialplan.

Nun wird aber durch die Ein sparungen nicht der Strom billiger werden für die Haushalte...

Das kann sehr wohl dabei herauskommen.

... sondern die neuen Anteilseigner fordern die Garantie einer marktüblichen Rendite.

Davon gehe ich aus, daß die das fordern.

Die Stadtgemeinde als Anteilseigner war da etwas großzügiger.

Wir haben die Möglichkeit gehabt, sehr viel in die Anlagen zu investieren.

Lieber Fücks oder Kudella?

Der Aufsichtsrat wird sich verändern - Sie bleiben. Wen hätten Sie lieber im nächsten Aufsichtsrat dabei: Kudella oder Fücks?

Das ergibt sich aus der Wahl...

Ich frage deshalb nach Ihren Wünschen.

Aufsichtsräte sollten die Interessen des Unternehmens in erster Linie vertreten.

Fücks quält sie mit dem Umweltschutz-Gedanken..

Das will ich damit nicht sagen.

Kudella sagt im Aufsichtsrat meistens gar nichts und jetzt will er 74,9 Prozent verkaufen.

Ich kann jetzt da nicht viel gegenhalten. Kudella oder Fücks - der Anteilseigner darf nicht nur gucken, was sagt meine politische Basis. Es geht um dieses Unternehmen. Und da sage ich: Unsere Stadtwerker haben einen großen solidarischen Akt geleistet, indem sie gesagt haben: Wir verweigern uns nicht, wenn es darum geht, Anteile zu verkaufen, um die Klöckner-Hütte zu retten. Das wird selten richtig gewürdigt. Natürlich wollen wir, daß dabei unsere Interessen gewahrt werden. Fragen: K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen