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Da brummt der Eishobel

■ Und jede Menge Pudelmützen: Im Eisstadion am Jakobsberg ist der Schlittschuhboom ausgebrochen

Schlittschuhlaufen verwandelt: der pummelige Mittvierziger in Norwegerpullover und Pudelmütze dreht überraschend eine überaus anmutige Pirouette und läuft dann unauffällig weiter über die belebte Eisfläche, als wäre nichts gewesen. Seine graziösen Gleichgewichtsübungen bleiben – fast – unbemerkt im bunten Gewusel.

Im Eisstadion am Jakobsberg ist Hochsaison. „Am letzten Samstag hatten wir 800 BesucherInnen“, berichtet der Mitarbeiter Dieter Günther zufrieden. In der Menge war aber trotzdem noch genug Platz, denn viele SchlittschuhläuferInnen mußten auch mal was essen und versorgten sich aus mitgebrachten Picknickkörben. Zuschauen, was andere für Kapriolen treiben, gehört nämlich auch mit zu den Ferien auf dem Eis. Und es gibt viel zu sehen: Kinder, die sich kringelig lachen, weil sich eine Bezugsperson gerade auf den Bauch gelegt hat, alte Herren mit Schiebermütze, die sich – Hände auf dem Rücken – über–s Eis schieben und geschickt den Youngsters mit den schweren Eishockeyschlittschuhen ausweichen, die gerade mal wieder ihrer Clique vorführen müssen was sie für Cracks sind.

Eishockeyspielen während der „Öffentlichkeitszeiten“ ist aber nicht erlaubt. Der DJ, der oben im Turm die Musik auflegt, wacht gleichzeitig mit Argusaugen, daß kein Puck über–s Eis getrieben wird. So bleibt die friedliche Koexistenz von ganz unterschiedlichen EisläuferInnen gewahrt. 40.000 waren es in dieser Saison, die im Oktober beginnt und in ca. 3 Wochen enden soll, bisher. Im Sanitätsraum mußten aber nur vier kleinere Unfälle verarztet werden. Eine erstaunlich positive Bilanz, die die Mitarbeiter des Stadions auf ihre Sicherheitsvorkehrungen und vor allem auf das gute Eis zurückführen.

Alle zwei bis drei Stunden wird die Fläche mit dem Eishobel aufbereitet und geglättet. Der Eishobel – die fahrbare Eisbearbeitungsmaschine – hupt, das Publikum wartet inzwischen am Rand und versorgt sich vielleicht am Kiosk mit einem heißen Getränk. Der voluminöse Eisglätter entfernt gefährliche Unebenheiten auf der Oberfläche, die Ungeübte unter Umständen aus dem Gleichgewicht bringen könnten.

1986 drohte dem Eisstadion selbst ein tödlicher Unfall durch Löcher in der Finanzdecke. Auf massives Drängen der zahlreichen Eissportvereine übernahm der Landessportbund das Stadion vom Sportamt. Seitdem gingen nicht nur die BesucherInnenzahlen wieder rapide nach oben, auch die Vereine entfalten bunte Aktivitäten auf dem Eis. Der Bremer Eishockeyverein trainiert an zwei Abenden in der Woche, die Schnelläufer können ebenfalls ungehindert zu speziellen Zeiten über die Fläche sausen und der ATSV 1860 bietet Kurse für Eiskunstlauf an. Interessierte BesucherInnen sind zum Zuschauen eingeladen.

Auch von Schulklassen wird das Stadion zu gesonderten Zeiten – wie in den öffentlichen Schwimmbädern genutzt. Die können sogar ihre Lieblings-CDs mitbringen. Auf der Strecke blieb in dieser Saison ein eigener Termin für die SchlittschuhläuferInnen ab 60, die bis zum letzten Winter an reservierten Morgenterminen ihre Runden drehten. Aus Kostengründen und wegen des großen Andrangs von Schulklassen wurde dieses Angebot vom Management gestrichen. „Aber sie kommen trotzdem“, meint Dieter Günther und freut sich darüber, daß die älteren SchlittschuhläuferInnen die Gelegenheit nutzen, auch während der Schulklassenzeiten übers Eis zu laufen. Über 400 Schlittschuhe bietet der Verleih an, wenn keine eigenen Kufen zur Verfügung stehen. Außerdem gibt es noch einen besonderen Service für Geburtstagsgesellschaften oder andere interessierte Gruppen: das Stadion kann für 200 Mark pro Abend gemietet werden.

Zuschauen kostet eine Mark: ein preiswertes Wintervergnügen unter freiem – und zur Zeit ja ausnahmsweise blauem – Himmel für die von Schnee und Eis ansonsten vernachlässigten BremerInnen.

S L / Fotos: Nikolai Wolff

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