DVDESK: Umwerfendes Gespenst
„Manhattan Nocturne – Tödliches Spiel“ (USA 2016, Regie: Brian DeCubellis)↓
Manhattan Nocturne“ ist kein guter Film. Aber ich hatte doch einigen Spaß dabei, ihn zu sehen. So etwas gibt es. Es liegt nicht daran, dass der Film auf besonders interessante Weise schlecht wäre. Schon gar nicht daran, dass er so schlecht wäre, dass er schon wieder gut ist – ohnehin eine problematische Figur, denn sie impliziert ja, gerade aus der Verachtung für den Gegenstand sein Vergnügen zu ziehen.
Nein, „Manhattan Nocturne“ ist schlecht und macht doch einigen Spaß, weil der Film und seine Macher sichtbar und spürbar ohne jede Selbstironie an sich glauben und an das, was sie tun. Und auch daran, dass sie auf einer handwerklichen Ebene durchaus können, was sie wollen. Nur ist das Problem, dass das, was sie wollen, leider etwas verfehlt ist.
Ein Mann mit dem schönen Namen Porter Wren steht im Zentrum. Er ist investigativer Boulevardjournalist einer New Yorker Zeitung, der in seiner Kolumne über Verbrechen berichtet, sie manchmal sogar aufklärt. Porter Wren ist fast ein Star seiner Zunft, die freilich als eine sterbende vorgestellt wird.
So ist auch sein Job in Gefahr. Die Zeiten von Print sind vorbei, zur düsteren Melancholie, die dieses Nachtstück grundiert, trägt das nicht wenig bei. Finster und dunkel ist auch das Genre des Films: „Manhattan Nocturne“ stellt sich mit aller Entschiedenheit, breitbeinig fast, in die Tradition des Noir.
Dazu passt die pathetische Lakonie der Voice-over-Stimme von Wren, die das Geschehen dunkel umschmeichelt. Dazu passt die Rückblenden-Struktur, die Vergangenheit und Gegenwart zu einem Verhängniszusammenhang amalgamiert.
Und dazu passt zuerst und zuletzt Caroline Crowley (Yvonne Strahovski), die Femme fatale aus dem Bilderbuch, verführerisch, blond, Witwe eines Filmregisseurs, der zermalmt, verstümmelt und von Ratten zur Unkenntlichkeit angefressen auf einem Abrissgrundstück aufgefunden worden ist. Auf einem Empfang nähert sich Caroline Wren, dieser Vamp, einem Mann mit Frau und zwei Kindern, und nach dem üblichen Hin und Her nähert er sich dann auch ihr, bis ins Bett.
Der Plot ist, wie es sich im Noir gehört, etwas verzwickt. Im Hintergrund steht der Zeitungstycoon Hobbs (Steven Berkoff), der Porter Wren in seine dunklen Machenschaften verwickelt. Es geht um kompromittierende Bilder, um Erpressung, traumatisierende Verletzungen, es geht nach und nach um ausgebuddelte Geheimnisse aus der Vergangenheit: Nichts, was ein Noir braucht, fehlt in „Manhattan Nocturne“. Es gibt im Gegenteil eher zu viel.
In jedem Bild, in jeder Wendung sieht man, dass der Autor der Romanvorlage, Colin Harrison, ebenso wie der bislang als Musikvideoregisseur und Produzent von TV-Miniserien tätige Spielfilmdebütant Brian DeCupellis, die Geschichte des Noir in- und auswendig kennen.
Das ist aber auch das Problem. Sie sind sichtlich glücklich darüber, wie sie ein Genre, das selbst schon ziemlich tot ist, bis ins liebevolle Detail nachbauen können. An das Anachronistische ihres Tuns verschwenden sie keinen Gedanken. Mit irgendeiner zeitgenössischen Wirklichkeit hat dieser Film rein gar nichts zu tun. Er verliert sich in seinem eigenen Wunschbild, das er aus Genreessenzen beschwört.
Und ein Stück verliert man sich, verführt vom Glauben des Films an sich selbst, dann auch mit. Verführt und geschmeichelt nicht zuletzt vom größten Trumpf, den „Manhattan Nocturne“ besitzt: Adrien Brody, der diesen Porter Wren spielt.
Seine schmelzende Voice-over-Stimme, seine Blicke, sein hagerer Körper, seine trauerumflorte Physiognomie: Brody macht Porter Wren zum Wiedergänger all der längst vergangenen Chandler- und Hammett-Figuren. „Manhattan Nocturne“ ist ein untoter Film. Mit Adrien Brody geht ein umwerfendes Gespenst in ihm um.
Ekkehard Knörer
Die DVD ist ab rund 10 Euro im Handel erhältlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen