DVDESK : Drei coole Dialoge und ein paar Tränen
„3 Zimmer/Küche/Bad“ (Deutschland 2012, Regie: Dietrich Brüggemann)
Wenn einer die Klappe aufreißt und ohne Rücksicht auf Verluste sagt, was er denkt, kann man das Gedachte und Gesagte nicht völlig ignorieren. Obwohl oft genug auch nur lahmarschiger Konsensquatsch dabei rauskommt.
So wie beim Kritiker und Filmemacher Dietrich Brüggemann, der Anfang des Jahres die sogenannte Berliner Schule frontal attackiert hat. Im Berlinale-Wettbewerb musste er feststellen, dass nicht alles glänzt, was „Gold“ (von Thomas Arslan) heißt und los ging das Bashing: „Fahr zur Hölle, Berliner Schule“, lautete der Titel seines Blogeintrags, es folgten Klischees: verkopfte, leblose, prätentiöse Festivalfilme, Achtziger-Fernsehästhetik, Feuilleton blöd, Kaiser nackt, kein einziges echtes Gefühl. Nachtrag: Ausnahmen möglich. Man kriegt diese Polemik seit Jahren im Dutzend, auf hohem Niveau vom Kritiker Manfred Hermes (der von Fassbinder her argumentiert), in dämlich von Oskar Roehler. Und so wenig man sich eine Welt wünscht, in der der deutsche Film nur aus den in der sogenannten Berliner Schule versammelten Ästhetiken besteht – es gibt im Spielfilmbereich derzeit wenig daneben, das satisfaktionsfähig ist.
Auf Teufel komm raus
Dabei gibt es ja grundsätzlich sehr viel, es wird gefördert auf Teufel komm raus. Die Wahrheit ist nur, dass die von Brüggemann und Konsorten inkriminierten Regisseure auf wenig Wohlwollen in Redaktionen und Gremien treffen, während biedere Themen- und Sozialfilmerei und konventionelle Plotpointdramaturgien besinnungslos abgenickt und in die Kinos gedrückt werden. Dafür laufen die Berliner-Schule-Filme in Cannes und im MoMA, das meiste vom Rest geht unter und ansonsten außer ins Fernsehen nirgendwohin. Wo sieht Dietrich Brüggemann Alternativen? Wer macht das „aufregende, böse, prächtige, unverschämte Kino“, das er sich wünscht?
Brüggemann ist recht mutig: Er führt sich und seine Freunde ins Feld. Es wird also erlaubt sein, die großen Worte an seinem eigenem Werk zu messen, also etwa an der 2012 in den Kinos gelaufenen WG-Komödie „3 Zimmer/Küche/Bad“.
Und da ist man dann doch peinlich berührt. Das Beste, was man über diesen Ringelpiez (mit und ohne Anfassen) des Nachwuchsbiederbürgertums sagen kann, ist: ganz nett. Es ist ein Liebeskummerdramödchen mit arg faden Figuren, alle sehr proper und hübsch. Sie studieren und/oder machen Praktikum. Narzisstische Mittelschichtsjungmenschen, für die Mama und Papa die Welt sind.
Brüggemann würde sagen, das sei „aus dem Leben gegriffen“. Als wäre das ein Argument in der Kunst. Er ruft mit einem Kurzauftritt Andreas Dresen als Schutzheiligen an, dessen Realismus oft auch flach ist, so flach wie das hier aber auch wieder nicht. In Wahrheit ist in „3 Zimmer/Küche/Bad“ alles sehr konstruiert und flott zusammengeschnitten (trotzdem viel zu lang). Und schon gar nix zu tun hat es mit echtem Gefühl.
Ein echtes Liebeskummergefühl ist schlecht ausgeleuchtet und nach drei coolen Dialogen und ein paar Tränen vorbei. Es erledigt sich auch keineswegs mit auf dem Soundtrack angespielten pseudopathetischen Indierock. Wer Gefühlsechtes zeigen will, sollte erst einmal über Darstellung und Form nachdenken, da bleiben dann immer noch viele ästhetisch überzeugende Optionen. Brüggemann aber hat keine gefunden.
„3 Zimmer/Küche/ Bad“ ist nicht mehr als belanglose Unterhaltung, als solche weder besonders gut noch besonders schlimm. Nicht Diagnose, sondern Symptom. Sich mit dergleichen gegen die sogenannte Berliner Schule in Stellung zu bringen, dazu gehört aber, so freundlich wie möglich gesagt, einige Chuzpe. EKKEHARD KNÖRER