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DURCHS DRÖHNLANDAlternde Charakterdarsteller

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Bis vor kurzem war ein Herr namens Yref in Berlin hauptsächlich für seine experiementellen, solistischen Ausflüge in die Quietsch- und Knautschzonen der Gitarre bekannt. Nun hat er mit Paul Outlaw (Vocals) und Horst Neff (Drums) eine Band gegründet. Man gab sich den reichlich umständlichen Namen »Snow Blind Twilight Ferries« und spielt einen Rock, der absurderweise ebenso normal wie seltsam klingt. Die Stimme ist mal kräftig, mal soulig, aber immer konservativ, während die Gitarre an Stellen, an denen man ein normales Rockriff erwartet, scheinbar völlig konzeptlos rumflippt. Natürlich konnte sich Yref nicht seiner Sound-Experimente enthalten, und das ist gut so, denn so wird aus Rock eben ein wenig mehr, eine Ahnung von Jazz, manchmal ein Eindruck von Modern Music.

Frithsche Lärmexplosionen sind allerdings eingebunden in relativ hausbackene Songstrukturen. Snow Blind Twilight Ferries dürften sich demnächst zu Lokalmatadoren hochspielen, und dem Berliner Einheitsbrei eine neue nötige Facette verleihen.

Am 24. und 25.7. um 22 Uhr im Tacheles, Oranienburger Straße, Mitte

Erinnert sich noch jemand mit wohligem Schauer an die Fuzztones, jene sonnenbrillentragenden, schlecht geschnittene Topffrisuren zur Ansicht bringenden Charakterdarsteller aus der Mitte der 80er, die damals gnadenlos die dreckige Seite der 50er und beginnenden 60er unverdientermaßen ans Licht zerrten? Die Fuzztones machten eine Handvoll gute Songs und hatten vor allem das Talent, im Gespräch zu bleiben, ob nun mit sexistischen Ausfällen oder peinlichem Rockergedöns. Rudi Protrudi, seines Zeichens Alleinherrscher über alle fies klingenden Effektgeräte dieser Welt, hatte dabei ein großes Vorbild: Link Wray. Dieser ist Legende, weil er mit »Rumble« und »Rawhide« zwei grandiose Instrumentalhits in den 50ern hatte, zudem sich lange vor der offiziellen Erfindung ein WahWah- Pedal selbst zusammenbaute, gebügelte Anzüge verabscheute, seine Haare einfach wachsen ließ und sich auch ansonsten ziemlich danebenbenahm. Link Wray blieb eine wirkliche Karriere aus diesen Gründen versagt, aber immerhin wurde er so zum Prototyp des dreckigen Rock 'n' Rollers, eine Kultfigur. Um ihn ehrfurchtsvoll würdigen zu können, rief Rudi Protrudi ein zweites Projekt neben den Fuzztones ins Leben. Damit erst gar kein Zweifel am Anliegen aufkommen kann, nannte sich Rudi noch um und »Link Protrudi and the Jaymen« waren geboren. Die spielen nun Coverversionen wie »Summertime« und auch ein paar Eigenkompositionen, aber immer streng Instrumentals, dabei hatte der alte Herr doch eine recht beeindruckende Stimme. Link Wray hat sich inzwischen wohl endgültig aus dem Geschäft zurückgezogen, und Rudi Protrudi sollte es ihm gleich tun, denn er ist inzwischen leider nur noch ein Dinosaurier, der sich zu ernst nimmt und über dessen Dicktitten-Cover, Comic-Manie und unheilbare Retrospektivität man nicht mal mehr lächeln kann. Schade eigentlich.

Am 24.7. um 21 Uhr im Huxley's, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Bahia, eine Stadt im Nordosten, ist noch vor Rio die heimliche musikalische Hauptstadt Brasiliens. Aus ihr kommen Leute wie Gilberto Gil, Maria Bethania oder Caetano Veloso, oder die neuen Stars Marisa Monte und Raimundo Sodré. Bei Sodré verbindet sich, aus der Religion kommend, der Samba mit afrikanischen Musiken. Seine Texte bleiben bei den Realitäten des Alltags, und so wird die Tanzmusik zur Lebenshilfe. Party und Politik gehen eine Verbindung ein, die in unserem Kulturkreis immer noch ziemlich undenkbar ist. Da aber wohl die wenigsten die Texte verstehen werden, dürften die Konzerte die Partyseite besser herausstellen.

Am 24.7. um 22 Uhr im Lindenpark, Stahnsdorfer Straße, Potsdam, und am 25.7. um 21 Uhr in der Alten TU-Mensa, Hardenbergstraße 34, Charlottenburg

Für mittelschwere Aufregung sorgte Steve Binetti mit seiner letztjährigen LP »Delphinium & Cynosure«, auf der der Ostberliner hemmungslos seiner Liebe zu den Gitarrenexzessen von Jimi Hendrix frönte. Einige dürften sich an die goldenen Zeiten der düsteren 70er erinnern und feststellen, daß die eigene Jugend doch nicht so schlecht war, wie sie andere gerne sehen wollen. Die Platte war in der klassischen Trio-Besetzung eingespielt und machte kein Hehl daraus, wo das Vorbild zu suchen war. Inzwischen kommt Binetti allein mit seiner Gitarre auf die Bühne, was seine Musik noch um einiges experimenteller, wenn auch unverdaulicher machen dürfte.

Trotzdem einer der besten Gitarristen zwischen hier und den 70ern. Nur mit seinem Gesang ist es nicht so weit her, der dient meistens denn auch nur als Vehikel, um dem Bluesrock eine weitere Klangfarbe zu verleihen. Wenn er allerdings brüchig und verletztlich »Come On« singt, geht die Sonne unter. Im Vorprogramm werden »Max Yellow Dog« zu sehen sein, ein neues Projekt, das sich teilweise aus Mitgliedern der Senatsrockgewinnler und Jazz-Funk-Chaoten Stan Red Fox rekrutiert.

Am 25.7. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Es gibt Bands, die durch eine zu gute Produktion erstickt werden. Auch bei »Seventh Heaven« hört man all die Märker, die von der »Deutschen Schallplatte Berlin« ins Debüt-Album gesteckt wurden. Debüt-Album stimmt eigentlich gar nicht, denn Seventh Heaven wurden bereits Anfang der 80er in Milwaukee als Volume Unit gegründet, und breiteten seitdem ihren spröden Gitarrenrock auf zwei LPs und einer EP aus. 1983 zog die Band nach Berlin um, 1991 wurde leicht umbesetzt und ein Namenswechsel für nötig gehalten. Im Gegensatz zu ihren früheren Veröffentlichungen ersaufen Seventh Heaven auf der neuen, gleichnamigen Platte in Süßlichkeit, was die bewußt einfachen Songs nicht auffangen können. Bei fast australisch klingenden Balladen glänzt eben nicht nur eine schlichte Slide-Gitarre, es sind auch allerlei angeschlossene Effektgeräte mit von der Partie, während im Hintergrund die absolut saubere akustische Gitarre klimpert. Selbst bei potentiellen Hits wie »Fight Fire With Fire« stößt der aus allen Rillen spritzende Bombast unangenehm weil seelenlos auf. Aber live liegen die Dinge bekanntermaßen anders, muß sich die Band aufs Wesentliche konzentrieren und das ist bei Seventh Heaven so schlecht nicht.

Am 30.7. um 22.30 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Thomas Winkler

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