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■ DOKUMENTATION"Im Steintor droht Eskalation!"

Eine ziemlich drastische Lagebeschreibung zur Drogenszene im Steintorbereich hat ein Polizei- Hauptkommissar des gehobenen Dienstes für den internen Gebrauch verfaßt, das der taz vorliegt. Wir dokumentieren daraus Auszüge. S.P.

„Im Bereich der Sielwallkreuzung betreibt eine Mehrzahl von deutschen Kleindealern — insbesondere Frauen — den Straßenhandel. Dieser Personenkreis ist selbst süchtig. Die Konsumenten nutzen alle nahegelegenen und frei zugänglichen Örtlichkeiten (geschützte Plätze, Hauseingänge, Toiletten) zum Drogenkonsum.

Bei unsren Streifen werden wir in nie dagewesener Form von den Anwohnern um Hilfe gebeten. Im Steintor selbst droht eine Eskalation. Von Monat zu Monat hat sich der Umfang des Straßenhandels durch Kurden auf die Straße ausgedehnt (dies gilt auch für den Bereich des Bahnhofsvorplatzes). Eine nicht mehr überschaubare Anzahl von Kurden betreibt hier gemeinschaftlich den Heroinhandel. Allein beim 3. Polizeirevier wurden im Jahr 1990 gegen mehr als 150 Kurden Strafanzeigen wegen Verstoßes gegen das BTM (Betäubungsmittel-Gesetz, d. Red.) gefertigt. Von diesen Kurden sind 82 mehrfach (bis zu 7mal) wegen derartiger Verstöße aufgefallen. Mehr als 50 weitere Kurden sind wegen Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetz angezeigt worden. Da dieser Personenkreis nur von uns überprüft wird, wenn der Verdacht des BTM-handels besteht, sind sie zum Kreis der Dealer hinzuzurechnen.

Für die Kurden arbeitet inzwischen eine erhebliche Anzahl an deutschen Drogenkonsumenten als 'Schlepper' oder 'Vermittler'. Diese Gruppe führt insbesondere die Scharen auswärtiger Konsumenten und Kleindealer in das Mekka aller Heroinsüchtigen im nordwestdeutschen Raum.

Die Drogenszene hat inzwischen einen solchen Umfang, daß wir diese nicht mehr überblicken können. Die auswärtigen Konsumenten (sofern sie neu sind) kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Im Oktober ist eine große Anzahl von Schwarzafrikanern in den Drogenhandel auf der Straße eingestiegen. Da die Schwarzafrikaner fast ausschließlich Kokain anbieten, ist es bisher nicht zu Konflikten zwischen Kurden und Schwarzen gekommen.

Die Schwarzen sind in ihren Verkaufsbemühungen sehr aggressiv. Sie sprechen die Drogenkonsumenten direkt an und lassen sich nicht 'abwimmeln'. Insbesondere die Prostituierten in der Friesenstraße haben uns angefleht, gegen diese Gruppe massiv vorzugehen.

Der Handel mit Kokain ist schwer nachweisbar. Die Schwarzen transportieren das Kokain fast ausschließlich im Mund, bei polizeilichen Kontrollen wird das Kokain (kleine Cellophankugeln) verschluckt. Der Handel ist fast ausschließlich durch Aussagen der Verkäufer zu belegen. Diese haben aber große Angst vor den Schwarzen.

Seit dem 1.11. werden den Dealern der beschriebenen Gruppen schriftliche Platzverweise nach wiederholtem Handel mit BTM ausgehändigt. Wird der Platzverweis nicht befolgt, werden die Dealer in Gewahrsam genommen.

Da der repressive Bereich fast ausschließlich durch die Polizei dargestellt wird und die Reaktionen aus dem Bereich der Gerichte und Ausländerbehörde nur sehr zögernd bis gar nicht erfolgen, wird bei der Polizei nach Wegen gesucht, die skandalösen Zustände auf den Straßen auf andere Weise zu bekämpfen.“

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