DKP-Politikerin will Stasi zurück: Das müssen wir aushalten!
Die arme Christel Wegner wünscht sich die Stasi zurück. Nicht überraschend. Dass sie als "Westlinke" überhaupt in ein Parlament gewählt wurde, sollte ihr Lehre genug sein.
S ie verdient Mitgefühl, auch wenn sie öffentlich am allerliebsten natürlich Solidarität gezollt bekäme - denn sie ist die moralische Währung, um die es ihr nun gehen müsste. Aber über Christel Wegner fallen seit Mittwoch Abend, als das ARD-Magazin "Panorama" ihre Statements zur deutsch-deutschen Geschichte verbreitete, jetzt alle her, vor allem, das ist für sie besonders schmerzlich, die Angehörigen der Partei Die Linke. Aber was nur hat die gelernte Krankenschwester falsch gemacht? Sie hat dem Publikum mitgeteilt, dass es in einem von ihr ersehnten Land eine Staatssicherheit wie in der DDR wieder geben müsste, denn nur sie könne verhindern, dass ein solcher Traumstaat heimgesucht werde durch "von innen aufweichende reaktionäre Kräfte".
Die schießbefehlgeschützte Mauer verteidigte sie nicht nur, vielmehr wünschte sie sie für alle Fälle wieder, andernfalls könnten, wie einst in der DDR, Westdeutsche diese infiltrieren.
Aber wo liegt in diesen Statements ein Moment von Überraschung? Von einer Politikerin der DKP anderes hören zu wollen wäre ungefähr so, als wünschte man vom Vatikan eine Enzyklika, die Fortpflanzung nicht mehr als den einzigen und ersten Zweck des Sexuellen erachtet; es käme einem Protestantismus gleich, der die Reformation als einen Betriebsunfall der christlichen Theologie testierte. Nein, wo DKP draufsteht, ist auch DKP drin. Und das heißt: Mauer, Stasi und eine Gesellschaft, die Liberalität für einen Zweck hält, nicht für den besten Schmierstoff zivilen Zusammenlebens. Ein Bild von Staat, zu dessen Repertoire Knast, Schikanen und Willkür zählen, weil die Menschen, unreif, wie sie sich Realsozialisten ja immer vorstellen, dauernd etwas wollen, was die Partei nicht will: reisen und frei die Meinung sagen zum Beispiel.
Insofern muss Christel Wegner unbedingt vor inquisitorischen Allüren ("Das hätte sie nie sagen dürfen!" oder "Wie konnte sie nur!") geschützt werden: Wer von ihr einen Schwur gegen das Gesagte verlangt, bedient sich der gleichen Methoden wie jene, die man an der DDR wie allen Sozialismen zu kritisieren hatte: eines Bücklings, um den schönen Schein zu wahren.
In Wahrheit denkt die Linkspartei - Gregor Gysi, Klaus Lederer und viele andere - über die DDR schärfer und verächtlicher, als es sich viele Konservative vorzustellen vermögen. Aber wie Christel Wegner denken viele tausende von Ex-DDR-Bürgern wie Westlinke, gerade jene, die über Splittergruppen zunächst in die WASG und dann in Die Linke eingetreten sind. Ist bei jenen Linken nicht besonders stark der Glaube ausgeprägt, der Kapitalismus sei das Übel als solches? Dass die Mauer gebaut werden musste, damit der Sozialismus auf deutschem Boden nicht ausblute? Dass es in einer paradiesischen Gesellschaft immer so etwas wie Überwachung geben müsse, um dem Feind ("das Kapital", "die Reaktion", "die Büttel des Kapitals", "die Helfershelfer der Reaktion" und so weiter) nicht in die - sie würden sagen: gierigen - Hände zu spielen?
Und sind es etwa nicht Millionen von Linken in der Bundesrepublik, die mehr oder weniger klammheimlich Castros sozialistisches Kuba lieben - die zwar die politischen Gefangenen und die Todesurteile ablehnen, aber das Gesundheitswesen lobpreisen? Die Kuba, allen politischen Verfolgten dort zum Trotz, klasse finden, weil es doch ein gallisches Dorf ist, das sich gegen die römischen Imperatoren und Cäsaren nur wehrt, also die USA?
Das ist wohl so, wie auch im Falle von Venezuelas Hugo Chávez, dessen dubioser Politik man doch zugutehält, dass sie zwar die Meinungsfreiheit untergrabe, das Land wie einen Volkssturm organisiere, aber das Rohöl den Konzernen vorenthält?
Christel Wegners Menschen- und Gesellschaftsbild mag manichäisch sein, unangemessen für jede Form von Wünschen nach Individualität und Freiheiten überhaupt, aber was sie sagte, klang nur schrill. Tatsächlich sprach sie lediglich aus, was viele denken, gerade in den westdeutschen Landesverbänden der Linken. Dass die Politikerin keineswegs auf ihr gewonnenes Landtagsmandat verzichten will, versteht sich von allein. Sie wurde ja demokratisch gewählt, man wird sie also aushalten müssen. Es sollte ihr ein Beispiel dafür sein, dass Liberalität funktioniert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen