DIE WAHRHEIT: Schicht für Schlapphüte
Spätestens als die illoyale Hauptstadtpresse das geheime Richtfest der neuen BND-Zentrale hinausposaunte ("Spione feiern Richtfest", Tagesspiegel), musste dem Kenner ...
... der geheimdienstlichen Szenerie klar sein, dass es neuen Ärger um "unsere Tölpeltruppe" (Spionage Aktuell) geben würde. Anstatt still und heimlich mit den 2.500 handverlesenen Bauarbeitern und ihren Aufpassern zu feiern, lud der "Herr der Schlapphüte" (Junge Mode) 1.600 (!) Gäste ein. Zwar versuchte der raffinierte BND-Chef Ernst "Brain" Uhrlau die Geladenen mit Schnittchen und Alkohol abzulenken, aber der aufmerksame Besucher stellte doch rasch fest, dass viele Gäste eifrig auf ihre arglos bereitgestellten Servietten kritzelten.
Was Wunder, dass ein paar Wochen später die Presse genüsslich vermelden konnte: "BND vermisst Pläne für Neubau in Berlin" (Tagesspiegel). Wo dieser neue Rohbau steht, muss selbstverständlich geheim bleiben, keiner weiß es, aber die Gegenseite schläft nicht und ist dabei, vis-a-vis einen Bürokomplex mit bester Sicht auf das "Zentrum unserer Sorgentruppe" (AOK-Magazin) fertigzustellen. Dahinter steckt eine Immobiliengruppe, die ihr Projekt verheißungsvoll "Feuerlandhöfe" nennt. Die Umgebung ist gerüstet: "Vor vier Jahren stand hier alles leer. Jetzt ist alles vermietet. Die Leute warten alle auf den BND", berichtet Christian Weiß vom Fantasy-Shop "Battlefield Berlin" dem Tagesspiegel mit süffisantem Unterton. "Battlefield Berlin", "Feuerlandhöfe" - das verspricht heiße Gefechte mit feindlichen Agenten!
Uns wird schon ein wenig bang um unsere Nachrichtendienstler, denn diese wirken noch desorientiert: "Was sind unsere Aufgaben? Wie arbeiten wir? Wer kontrolliert uns?", fragt BND-Chef Uhrlau leicht verwirrt auf seiner Website www.bnd.de. "Wo sind unsere Pläne? Ist ,Battlefield Berlin' ein Deckname? Warum all der Hass?", kann er jetzt dazu schreiben. Was wurde eigentlich hinausgeschmuggelt?
Der Focus weiß es, und man fragt sich, woher eigentlich: die geheimsten Teile der künftigen Zentrale, sensible Angaben über Notausgänge, Schleusen, Alarmanlagen, Lage der Toiletten und Angaben über Türen- und Deckendicke sowie die Lage der Wände und der Kabelschächte. Die sollen mannsdick angelegt worden sein, damit Agenten beider Seiten durchkriechen können und sich spannende Verfolgungsjagden liefern können. Auch die Lage der Behindertenparkplätze und der Hutausgabe wurden verraten!
Muss jetzt alles neu gebaut werden? Zornig äußerte sich der Linken-Politiker Wolfgang Neskovic: "Das Verschwinden der Baupläne bestätigt Zweifel an der Professionalität des Dienstes." Das ist kompletter Unsinn, denn Zweifel daran hatte es nie gegeben, es wurde lediglich unsere Gewissheit bestätigt, dass der BND eine Truppe von liebenswerten Anfängern ist. Überraschend für die Experten war bislang nur, dass die Baugrube des Rohbaus nicht eingestürzt ist.
Zurück zur zentralen Frage: Muss alles neu gebaut werden? Oder sagt man einfach, dass man alles neu baut, und lässt dann alles, wie es ist, und die Gegenspionage ist Nese? Das wäre dem Nachrichtendienst zuzutrauen. Von uns dafür den Schlapphüten ein "Chapeau"!
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