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DIE WAHRHEITGoldader in Rostlauben

Betreutes Wohnen im Wuppertaler Autohaus Egner.

Öfter mal was Neues: So lautet das Erfolgsrezept des umtriebigen Wuppertaler Kleinunternehmers Eugen Egner. Überregional bekannt geworden ist er hauptsächlich als Literat sowie als Zeichner deformierter, zum Teil sogar teigig zerfließender Lebewesen. Mit einem gut geführten Autohaus hat er sich vor Kurzem ein weiteres berufliches und ökonomisches Standbein verschafft. Es handelt sich um das nach ihm selbst benannte "Autohaus Egner" (auch sonntags geöffnet). Und er ist auf eine Goldader gestoßen: "Viele Autofahrer", sagt er, "interessieren sich für Autos. Besonders für hochwertige Modelle mit jeder Menge PS, aber auch für die letzten Rostlauben. Aus diesem Grunde ist ein Autohaus die ideale Begegnungsstätte für Autos und Autofahrer. Wer ein Auto kaufen möchte, der kann das hier machen. Das ist meine Geschäftsphilosophie."

Darauf verweist nicht zuletzt der griffige, im wahrsten Sinne des Wortes "zündende" Slogan, mit dem Egner für sein Autohaus wirbt: "Willst du mal raus aus dem normalen ,Trott' und ein wenig verwegner sein, so kauf noch heut einen ,fahrbaren Untersatz' im Autohaus Egner ein." Und es ist für jeden "Geldbeutel" etwas dabei - sowohl die mehrsitzige Limousine in moderner Fischform als auch das robuste Ehefrauenfahrzeug für die Einkäufe, die in Durchschnittshaushalten mehrmals wöchentlich anfallen.

Doch damit nicht genug: In seinem ohnehin schon kräftig "brummenden" Autohaus bietet Egner seit Anfang des Quartals ein zusätzliches "Bonbon" an - betreutes Wohnen für Senioren, die sich vorstellen können, ihren Lebensabend in einem vornehmlich von "Benzindroschken" dominierten Umfeld zu verbringen. "Wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Idee, Herr Egner?", fragen wir nach.

"Genaugenommen durch Zufall", erwidert er und reckt seinen ledrigen, schildkrötenartig gestylten Hals, um das daran baumelnde Bundesverdienstkreuz besser zur Geltung zu bringen. "Ein älterer Herr hat sich eines Tages hierher verirrt und ist auf einer Kühlerhaube eingeschlafen. Das hat mich auf die Idee gebracht, ihn zu betreuen. Ich habe rasch Gefallen daran gefunden, und mittlerweile betreue ich in meinen Räumlichkeiten mehr als dreihundert Personen unterschiedlichen Geschlechts. Der Wohnkomfort ist hier naturgemäß aufs Essenzielle reduziert, aber Sie sehen ja selbst, dass die Leute zufrieden sind …"

In der Tat: Es kommen keine Klagen vonseiten der betreuten Autohausbewohner. Sie haben sich, locker gruppiert, im gesamten Gebäude verteilt und wirken sichtlich entspannt. Ja, man könnte mit Bestimmtheit sagen, dass sie überhaupt gar keine Lebenszeichen von sich gäben, die auf eine irgendeine Anteilnahme am pulsierenden Verkaufsgeschehen schließen ließen, wenn nicht ab und zu der Chef höchstpersönlich für Furore sorgte. Mit gezielten Knüffen, Tritten, Hieben und Leberhaken treibt er seine Schützlinge immer wieder von der Ausstellungsfläche zurück in eine für das eigentliche Wohnen vorgesehene "Lounge", die tatsächlich ein ungeheiztes, enges, lichtloses und stark verschmutztes Kabuff ist. Dort hagelt es weitere "Kopfnüsse" und "Backpfeifen" und "Pferdeküsse", und es fallen neben harten Worten auch gezielte Peitschenhiebe. Was aber hat das noch mit Altenpflege zu tun?

Egner ist um eine klare Antwort nicht verlegen. Er habe, so erklärt er, "niemandem einen Rosengarten versprochen". Zudem sei es "sehr schlecht für das Geschäft, wenn sich die Greise über Gebühr breitmachen", und im Übrigen übe er nur sein Hausrecht aus. Das in Wuppertal umlaufende Gerücht, wonach er zumindest einige der betreuten Bewohner durch Knebelverträge an sein Autohaus gebunden habe, weist er entschieden zurück: "Das gesamte Wohnprojekt wird fortlaufend von der EU gefördert, und selbst das renommierte Fernsehen ist schon hier gewesen und hat sich vom ordnungsgemäßen Zustand der Betreuung überzeugt."

Sprichts - und überrollt mit einem Vorführwagen drei Senioren, die nicht rasch genug zur Seite springen konnten. Musste das nun sein?

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