piwik no script img

DIE WAHRHEITVom Häuten der Nudel

Kolumne
von Hartmut El Kurdi

H ätte damals mein arabischer Vater nicht beim Münzenwerfen gegen meine deutsche Mutter verloren, dann könnte ich jetzt durch die Talkshows tingeln und über meinen Penis reden beziehungsweise über meine fehlende Vorhaut. Und je nachdem, könnte ich über ein Trauma klagen oder die hygienischen und sexuellen Vorteile preisen. Aber diese Karriere bleibt mir nun verwehrt, weil kein Arzt, Beschneider oder – wie bei meinem Vater – Friseur an meinem Geschlechtsteil herummanipulieren durfte. Ob das nun gut oder schlecht ist? Ich weiß es ja nicht, auch wenn mich die vermeintlichen sexuellen Vorteile doch mal interessieren würden …

Nur, damit das klar ist: In einer idealen Welt schneidet niemand kleinen Jungs was vom Pimmelchen ab und niemand traumatisiert Kinder, indem er ihnen erzählt, es gäbe eine Hölle oder einen „lieben“ Gott, der „alles sieht“. Auch zwingt dort niemand Kinder, sich mit alleinstehenden Männern in dunklen Kabäuschen zu treffen und diesen dort von ihren Sünden zu berichten oder mit dem Wachtturm von Tür zu Tür zu gehen. Aber leider ist die Welt nicht ideal. Leider zählen Erwachsenenrechte – wie die Religionsfreiheit – bei uns mehr als Kinderrechte. Doch für den Kampf gegen diesen skandalösen Umstand ist die Beschneidungsfrage das falsche Schlachtfeld. Zumindest wenn man dabei die Gerichte bemüht.

Verbot hin oder her, die Beschneidungen würden weitergehen. Und wenn sich eh keiner dran hält, kann man das Verbot auch gleich lassen – eine These, die nicht zuletzt durch das andauernde Fiasko der Drogenprohibition hübsch bebildert wird. Schließlich geht es hier nicht um Mord oder Vergewaltigung. Oder um ein Delikt, das sich bei Duldung jeden Tag wiederholen könnte, sondern – zumindest, was das einzelne Opfer betrifft – um eine einmalige Körperverletzung. Und die wird aus religiösen, also irrationalen Gründen begangen. Da ist weder mit Argumenten noch mit Strafen etwas zu machen.

Wobei das propagandistische Horrorszenario der Beschneidungsbefürworter, bei einem Verbot würde die Vorhaut künftig unhygienisch auf dem Küchentisch abgesäbelt, auch Nillenkäse ist. Juden und Muslime haben dafür kompetente Fachleute oder lassen es dann eben in Holland oder im nächsten Türkeiurlaub erledigen.

Doch auch die Beschneidungsgegner haben so ihre Irrationalismen beziehungsweise ein kurioses parareligiöses Sendungsbewusstsein. Sie fühlen sich im Besitz der allein selig machenden Wahrheit und scheinen die Abschaffung der Beschneidung partout erzwingen zu wollen, zur Not mit Sanktionen. Diese Art der Menschheitsbeglückung hat aber leider noch nie funktioniert, auch wenn die Beglücker in der Sache noch so recht hatten.

Trotzdem ist es selbstverständlich immer richtig, Gläubischen mitzuteilen, dass man ihre skurrile Weltsicht nicht teilt. Wenn die Diskussion jetzt noch ihre autoritäre, christlich-selbstgerechte Schlagseite verlöre, dann könnte sie – ohne Androhung von juristischer Haue – von mir aus noch länger dauern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • T
    Theohamburg

    Sollte man tasächlich in dieser Beschneidungsdebatte vergessen, daß Relgion auf Aberglauben beruht? Sollte man also Aberglauen, christlichen, jüdischen, hinduistischen etc. über das Grundgesetz stellen, worin jedem das Recht auf z.B. Unversehrtheit usw. zugestanden wird?

  • AN
    Ano Nym
    Schließlich geht es hier nicht um Mord oder Vergewaltigung. Oder um ein Delikt, das sich bei Duldung jeden Tag wiederholen könnte, sondern – zumindest, was das einzelne Opfer betrifft – um eine einmalige Körperverletzung.

     

    Das gilt – in der Natur der Sache liegend – auch bei vollendeden Tötungsdelikten. Wiederholungsgefahr bedeutet nicht, dass sich die gleiche Tat beim selben Opfer wiederholt, sondern dass der selbe Täter erneut tätig wird.

     

    Und die wird aus religiösen, also irrationalen Gründen begangen.

     

    Es gibt "irrationale" Gründe?

     

    Da ist weder mit Argumenten noch mit Strafen etwas zu machen.

     

    Offensichtlich schon, sonst würde der BT ja nicht tätig.

  • P
    Peter

    Kinder verklagen ihre Eltern.

     

    Eine Praxis bei Scientology.

    Die der Sekte verfallenen Personen verdienten sich durch reale Arbeit als Selbstständige die Kursgebühren, kein Geld.

    SC erhielt darauf eine Rechnung die sie steuerlich ansetzen konnte.

    Jahresende hatten einige Kursteilnehmer hohe umsatzsteuerliche Schulden.

    Sie erhielten statt Geld, Arbeit und die Kurse der Gehirnwäsche.

    Daraufhin kamen die Sekten Rechtsanwälte und stellten in deutschem Erbrecht folgende Möglichkeit fest.

    Eltern konnten/können zu einer vorzeitigen Auszahlung der Erbschaft verpflichtet werden.~25%

    Und so verklagten die Sektenkinder ihre Eltern vor Gericht um die Steuerschuld und anderes zu finanzieren.

     

    Was ist, wenn ein beschnittenes Kind mit körperlichen Schäden seine eigenen Eltern verklagt?

    Im Land der unbegrenzten Dummheit müssten solche Klagen schon durchgeführt worden sein.

    Wenn nicht, wird es mal Zeit.

     

    Einige Deutsche Versicherungen wurden vor einem US Gericht zur Zahlung der pristerpädophilen Inhalte verurteilt, umbei 300 Mio. Dollar.

    "Die Haftpflichtversicherer wird dieser Vergleich mit 227 Millionen US-Dollar belasten, so die "Financial Times" gestern. Zu den mehr als 10 Versicherungsgesellschaften zählen auch deutsche Unternehmen wie die Allianz und die Münchner Rück, die ebenfalls mit Millionensummen belastet werden."

    http://www.carechild.de/news/international/usa_gericht_bestaetigt_priestersex_vergleich_und_deutsche_versicherer_muessen_zahlen_309_103.html

     

    Warum sollen alle für die Sekten-/Religionsfolgen einer Minderheit aufkommen? Warum wurden diese pädo. Straftaten überhaupt global, religionsbefreit versichert?

     

    Wenn die Gemeinschaft und das Rechtssystem die Folgen nicht trägt, sind die Kinder in manchen Ländern doppelt beschnitten.

    Erst als Baby, dann als rechtsmündiger Bürger, teils als Opfer.

     

    Die USA hat es einfach, durch die Versicherungsklauseln werden Straftaten gedeckt.

    Eine Lösung auf Ebene der EU wäre angebracht.

    Dort sitzt der von Barroso, Pöttering und Merkel eingesetzte "Rat der Religion" die sich aktiv in die Politik einmischen sollen, so in der Eröffnungsrede erklärt.

     

    Augen zu und durch ist keine Lösung.

  • S
    Sandra

    Grosses Lob an den Autor. Bisher einer der besten Kommentare zu diesem Themenkomplex. Alles andere kann man sich getrost unter die - hilfsweise auch metaphorische - Vorhaut jubeln.

  • A
    anke

    Ich glaube, das finden die, die ihr Geld in die Schweiz schaffen auch, dass auf Verbote, die keiner (, den man kennt,) so recht ernst nimmt, gleich verzichtet werden kann. Und vielleicht wäre das tatsächlich die Lösung. Nicht unbedingt für die aktuell besonders Jungen, Alten, Kranken, Schwachen oder anderweitig Gehemmten. Aber doch für die, auf die es angeblich mehr als auf alle anderen ankommt. Für die sogenannten "Leistungsträger" nämlich. Die, meine ich, die sich selber unbedingt mehr leisten müssen, als ihre Mitmenschen. Nicht morgen oder übermorgen, sondern jetzt und sofort. Eigentlich immer also. Leider ist die "Wahrheit", wonach der Ehrliche naturgemäß der Dumme ist, auch nur so ein parareligiöser Irrationalismus. Im richtigen Leben jedenfalls schützt Dummheit keineswegs vor Strafe. Und ehrlich währt mancherorts noch immer am längsten, ganz egal, was die Sendungsbewussten von ihren Kanzeln predigen. Reden wir also über Alternativen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Gespräch von Mann zu Mann (oder von Vater zu Sohn) über die sexuellen Vor- und Nachteile der fehlenden Vorhaut. Unmöglich? Gefühle verschiedener Menschen lassen sich nicht direkt vergleichen? Schade! Dann bin ich auf jeden Fall dafür, dass nur Menschen beschitten werden, die schon mal Sex hatten. Richtig guten Sex, meine ich. Woher sonst sollte der Wille kommen, das jeweils Richtige zu tun?