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DIE WAHRHEITYps 2.0

Darwineum: Evolutionsmuseum im Rostocker Zoo eröffnet.

Mutig: Rostocks OB Roland Methling (58, l.) und Gorilla Assumbo (40). Bild: dpa

Mit Riesenbrimborium wurde am letzten Wochenende das sogenannte Darwineum eröffnet, eine 20.000 Quadratmeter umfassende Freizeitanlage auf dem Gelände des Rostocker Zoos, in der den Besuchern „die Entwicklung des Lebens auf der Erde als spannendes Abenteuer“ präsentiert wird.

Sogar ein Ururenkel des Namensgebers Charles Darwin war eingeflogen worden, damit auch ja keiner auf die Idee kommen würde, hier habe ein Provinzzoodirektor namens Udo Nagel mit 23 Millionen Euro Steuergeld sein höchstpersönliches „Nageleum“ hingeklotzt, ungeachtet der Frage, ob und wie sich das angeblich „modernste Edutainmentcenter entlang der Ostsee“ jemals amortisieren soll. Der Nürburgring lässt grüßen.

Das „Darwineum“ bietet dem Besucher für 16 Euro Eintritt eine Vielzahl an Schautafeln und musealen Staubfängervitrinen, die tatsächlich zu allem anderen taugen, als „die Geburt des Universums bestaunen, explodierende Sterne sehen und die Entstehung der Erde erleben“ zu können. Das Ganze ist ungefähr so spannend und pädagogisch wertvoll wie ein Yps-Heftchen aus den 1970ern.

Selbst die Kleinterrarien, in denen Schlammspringer, Blattschneiderameisen oder Pfeilschwanzkrebse besichtigt werden können, erinnern an die „Urtierchen“, die jedem zweiten Heft beigelegt waren. Ob es Yps in der DDR gab, ist nicht bekannt. Nagel jedenfalls, gebürtiger Rostocker, scheint in seiner Sicht der Dinge nicht viel darüber hinausgewachsen zu sein.

Auch die dem „Darwineum“ angeschlossene Dauerausstellung zur „Kulturellen Evolution des Menschen zwischen Höhlenmalerei und Kernfusion“ hat was von Yps, zumal der Besucher in einer Art „Forschungslabor“ selbst kleine Experimente durchführen kann.

Kernstück des „Darwineums“ ist eine sogenannte Tropenhalle, in der, folienüberdacht, auf 4.000 Quadratmetern eine Art Urwaldlandschaft nachgebaut wurde. Hier bekommt der Besucher weitere „Tiere der Evolution“ zu sehen (als gäbe es andere): Faultiere, Gibbons, Flughunde sowie je zwei Gruppen Gorillas und Orang-Utans. Tatsächlich dient das „Darwineum“ in erster Linie der Aufhübschung des Rostocker Zoos, dessen Tiergehege zu großen Teilen noch aus frühen DDR-Zeiten stammen.

Gerade die Menschenaffenanlage, deren Bewohner nun in das neue „Darwineum“ umziehen konnten, zählte zu den katastrophalsten ihrer Art: Die 60 Jahre alten völlig heruntergekommenen Käfige, in denen Gorillas und Orang-Utans – bis vor ein paar Jahren auch Schimpansen – dahinvegetierten, waren schon zu Zeiten der Wende völlig indiskutabel.

Anstatt jedoch die bestehenden Anlagen so weit zu modernisieren, dass sie den Tieren ein einigermaßen erträgliches Leben ermöglichen – alternativ hätte man auch sehr viel früher schon ein von den Baukosten her wesentlich günstigeres neues Affenhaus erstellen können –, wurde das prestigeträchtige Protzprojekt des „Darwineums“ anvisiert, bis zu dessen Fertigstellung die Tiere auf beengtestem Raum in vorsintflutlichen Gitterkäfigen ausharren mussten. Selbstredend wurde kein Cent mehr in die alten Anlagen investiert, das Wohlergehen der Tiere war nachrangig.

Die Frage, ob es ethisch überhaupt noch vertretbar ist, Menschenaffen in Zoos gefangen zu halten, wird im „Darwineum“ nicht gestellt, gleichwohl gerade die Bezugnahme auf Charles Darwin solche Fragestellung nahelegte. Während die bahnbrechenden Entdeckungen Darwins, mithin die gemeinsamer Vorfahren von Menschen und Menschenaffen, relativ schnell und so gut wie universell akzeptiert wurden, werden Letztere nach wie vor und unter ausdrücklichem Verweis auf ebendiese enge Verwandtschaft in Gitterkäfige gesteckt und zur Schau gestellt.

Der prinzipiell aufklärerische Wert des „Darwineums“ wird allein dadurch in sein Gegenteil verkehrt: der Mensch wird nicht als Teil der Evolution dargestellt, sondern – wie Religionen jeder Art dies seit je verkünden – als gottgleiche „Krone der Schöpfung“, befugt, mit Tieren zu verfahren, wie es ihm beliebt: „Machet sie euch untertan und herrschet …“ (1. Mose 1,28). Darwin würde sich ob dieser Schizophrenie – und ob der Usurpation seines Namens – wohl im Grabe umdrehen.

Das Rostocker „Darwineum“ hat mit evolutionsbiologischer Aufklärung und Wissensvermittlung nur wenig zu tun. Mit Blick auf die Großen Menschenaffen dient die Gesamtanlage allenfalls dazu, deren ethisch längst nicht mehr vertretbare Haltung und Zurschaustellung durch Einbindung in eine Art Evolutionsdisneyland zu kaschieren. Es passt ins Bild, dass der Besucher in kunstvoll gestalteten Dioramen und auf Schautafeln zu sehen bekommt, wie Flugsaurier in den Urwäldern der oberen Kreidezeit herumfliegen, während der real existierende Rostocker Stadtwald großflächig abgeholzt wurde, um Platz für das „Darwineum“ zu schaffen. Auch eine Art Evolution.

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19 Kommentare

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  • E
    Eberhard

    @Ralf Ansorge:Kleiner Hinweis: Für das Bürgerbegehren wurden mehr als genügend Stimmen gesammelt, das ist eine Tatsache (ist nachzulesen auf der offiziellen Seite des Bürgerinformationssystems Rostock). Leider hatte man sich bei der Erstzählung der Stimmen "versehentlich" um schlappe 2.000 Unterschriften verzählt. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt...

    Wenn vor 150 Jahren ein Teil des Waldes zugunsten des Zoos gerodet wurde und SED-Verantwortliche zu DDR-Zeiten eine weitere Zerstörung des Waldes beschlossen hatten, dann sollte das kein Freibrief für eine weitere Zerstörung dieses innerstädtischen Waldes sein! Es ist ja bekannt, dass die DDR mit Umweltschutz nichts am Hut hatte.

    Zustimmen würde ich Dir bei dem Thema Volksbefragung, aber nicht erst dann, wenn alle Messen gesungen sind (wie im Fall Darwineum). Hier hätte eine vorherige Befragung unter Garantie das Projekt zu Fall gebracht!

  • RA
    ralf ansorge

    an maritta:fakt ist ,daß mein nachbar möhner und co die nötige zahl an unterscgriften NICHT zuammengekriegt hat,somit deine tatsachenbehauptung höchstens einem gefühl entspricht.der ganze zoo steht seit ca 150 jahren mitten im wald,alles was neu angelegt ist braucht seine zeit der einfügung.ich finde es allgemein in debatten anmaßend wenn jemand für eine ganze einwohnerschaft (wir rostocker)oder sonst eine gruppe spricht(wir frauen,wir muslime,wir ostdeutsche.....).

    ganz allgemein wäre ich dafür,daß es bei solchen großprojekten verbindliche volksbefragungen gibt.

  • F
    Falk

    Ich finde die Kritik etwas überzogen. Das Darwineum gefällt mir ganz gut.

  • M
    Maritta

    @Carola: Die meisten Rostocker waren gegen das Projekt. Leider wurde dieser Bau politisch mit allen durchgeboxt, Proteste ignoriert und niedergemacht.

    Für diesen "Prachtbau" von fast 30 Mio. € gab es nicht mal einen B-Plan, denn der hätte ausgelegt werden müssen... Die böse Überraschung war dann für den Rostocker Normalbürger "perfekt"...

    Und das Dumme daran ist, wir Rostocker haben jetzt den Betonkasten mitten im Wald stehen...

  • K
    Konrad

    Der Artikel spricht mir aus der Seele! 150 Jahre brauchten die Buchen im Barnstorfer Wald, um zu wachsen, nun für ein paar Affen gefällt. Insgesamt sollen an die 450 Bäume für dieses Projekt zum Opfer gefallen sein, der Begriff großflächige Abholzung trifft es also doch ganz gut. Die von Martin genannte Freifläche im Wald wurde übrigens vom Zoo selber zugemüllt und mit städtischen Geldern beräumt. Diese Freifläche war aber auch ein wichtiges Nahrungsgebiet für viele Fledermäuse. Nach dort vorhandenen Zauneidechsen wurde sicherheitshalber nicht gesucht...

    Einheimische Natur wurde zugunsten einer künstlich geschaffenen Welt (Felsenmalerei statt einer echten Lanschaft)zerstört. Ein Irrsinn!

  • RA
    ralf ansorge

    bevor ich von anderen darauf hingewiesen werde,ich meinte das wisent,nicht den bison

  • RA
    ralf ansorge

    zum glück haben leute ,die wirklich von der materie etwas verstehen,wie der als anerkannter wissenschaftler in indien tätige ururenkel von darwin da eine ganz andere meinung.da braucht man sich über schlechtrecherchierte artikel von berliner eintagsbesuchern eigentlich keine gedanken machen.auch manche leserkommentare sprechen bände.aber mit ideologisch und rassistisch verblendeten leuten("glaswand um die ostzone") braucht man nicht streiten.da ist jemand nach rostock gefahren mit dem festen vorsatz ausschließlich negativ zu berichten.im rostocker zoo ist seit 20 jahren ,v.a.dank herrn nagel soviel verbessert worden,sehr viel auch durch spendengelder,aber das interessiert hier ja nicht.ich bin froh als landschaftsgärtner da mitGEARBEITET zu haben.die taz-leser kann ich nur bitten sich selbst ein urteil zu bilden undsich das anzusehen.wer ahnung hat,weiß auch ,daß es ,wie in jedem metier,bessere und schlechtere zoos gibt(wie bei zeitungen) und die haltung sich i.a. stetig verbessert.zoos sind auch immer ein speiegel der zeit und des wissensstandes selbiger.und so haben zoos sich fast überall in den letzten jahrzehnten gewandelt.manche arten gäbe es ohne zoos gar nicht mehr,sie sind erfolgreich ausgewildert worden(przewlskipferd,bison,löwenkopfäffchen....).es gibt auch immer noch und immer wieder kritikwürdige dinge(z.b. der knut-hype in berlin) ,keine frage.wenn dies in sachlicher form geschieht ,bin ich dabei.aber hier hat jemand geschrieben,der zoos i.a. ablehnt und bei rostock nur "lichtenhagen" denkt.ich denke mal udo nagel hat,seit er darf, bestimmt mindestens genausoviel von der (tier)welt gesehen wie der autor dieses artikels auch wenn er seinen beruf in seiner heimatstadt ausübt.

    p.s.:ich war 7 jahre in berlin und weiß daher ,daß auch metropolenbewohner sehr provinziell und vorurteilsbeladen sein können,der artikel beweis es.satire kenn ich aus "titanic",das hier ist wohl aus versehen in diese rubrik gerutscht.

  • HG
    Horts Günlher

    Die Affen sollten wenigstens Hosen tragen !

  • P
    PeterWolf

    @ Prickelpit

    "Der Mensch ist und bleibt "Krone der Schöpfung", der nach Gutdünken alle anderen Geschöpfe - hier: Gorillas und Orang Utans - gefangenhalten und hinter Panzerglas zur Schau stellen darf."

     

    Die sind ja auch nicht beschnitten oder getauft!

    Dass der Zoodirektor das unterlassen hat, bringt ihn in die Hölle. Bestimmt!

  • P
    Prickelpit

    @PeterWolf: Nein, das sogenannte "Darwineum" leugnet die Schöpfungsgeschichte gerade nicht. Der Mensch ist und bleibt "Krone der Schöpfung", der nach Gutdünken alle anderen Geschöpfe - hier: Gorillas und Orang Utans - gefangenhalten und hinter Panzerglas zur Schau stellen darf.

  • P
    PeterWolf

    Die Anlage leugnet die Schöpfungsgeschichte!

    Wann werden die Minister Westerwelle und Friedrich ein Verbot dieser Blasphemie fordern?

    Das ist schließlich eine unerträgliche und unverantwortliche Provokation von orthodoxen Juden, Islamisten und Evangelikalen.

    Wenn dann die Hütte brennt, ist natürlich nur der gottlose Zoodirektor schuld.

  • SL
    Sam Lowry

    Man könnte doch eine 3 Meter hohe Glaswand um die Ostzone bauen...

  • C
    Carola

    Der Tag wird kommen (hoffentlich bald!) an dem es gesellschaftlich genauso geächtet sein wird, Tiere zur Schau zu stellen, wie es geächtet ist "wilde Menschen" zur Schau zu stellen, was in vielen deutschen Zoos bis in die 1930er hinein gebräuchlich war (Hamburg, Stuttgart, Münster...). Im Volksmund hieß das "Negergucken" oder "Hottentottenschauen". Wäre das Rostocker Darwineum 100 Jahre früher gebaut worden, hätte man sicher auch da Somalier, Papuas, Inuit oder Singhalesen ausgestellt und gegen Entgelt begaffen lassen. Heute ist das geächtet, man macht es nicht mehr. Was will uns das mit Blick auf die von euch zur Schau gestellten Menschenaffen sagen, liebe Rostocker? Dass ihr der Kulturevolution heillos hinterherhinkt. Ein Treppenwitz, dass ihr eueren Betonkasten auch noch "Darwineum" nennt.

  • N
    Nanda

    Was haben Menschenaffen oder sonstige Wildtiere aus Äquatorialafrika oder Südostasien an der Ostsee verloren? Nichts! Sie die meiste Zeit ihres Lebens in einem geschlossenen Betonbunker zu halten, ist reine Quälerei.

     

    Zoos sind Gefängnisse für unschuldig zu "lebenslang" verurteilte Tiere. Sanke für den Artikel (der tatsächlich auf die Wissensseite gehörte und nicht auf die Wahrheit).

  • M
    Martin

    Was heißt großflächig abgeholzt? Das Überbauen einer seit Jahren von der Stadt geduldete illegalen Müllkippe auf der wohl größten Lichtung im Wald ist schlimmer als das "Freilegen" neuer Flächen für Sportplätze und Tennisanlagen? Das ist doch Unsinn liebe Autorin

  • M
    maxillipeden

    Nett, dass die Taz, den Artikel von Colin Goldner aus http://hpd.de/node/13928?page=0%2C0 in leicht umgewandelter Form noch einmal einer größeren Leserschaft zur Verfügung stellt.

     

    Mehr Affen als jetzt machen in der Tat wenig Sinn, aber Fakt ist auch, dass man für ein reines Affenhaus weder Kredite noch Fördermittel bekommt. Insbesondere dann, wenn die Stadt als Haupteigentümer nicht bereit ist einen Cent dazuzubezahlen. Denn 23 Mio kommen von Bund/Land/EU, 1 Mio aus Spenden und 5,4 Mio als Kredit von der Bank, die diesen aber erst locker machte, als die 1 Mio zusammengesammelt waren.

     

    Übrigens; wie hätte man die alten Käfige verbessern sollen, die sind so rott, dass nur ein Abriss sinnvoll ist. Außerdem, wie soll man die zu kleinen Käfige sanieren/teilabreißen, wenn die Bewohner noch drin sind? Abgeben in andere Zoos, die auch notorisch keinen Platz haben, geht halt nicht. Kein Mensch würde es akzeptieren, wenn der Vermieter die halbe Wohnung wegreißt und man 1 Jahr halb im freien und mitten auf einer Baustelle leben müsste.

  • C
    Conny

    Liebe Provinzzeitung,

     

    kommt mal lang und schaut Euch das an. Der Artikel ist ja so grottig recherchiert, dass ich mich fremdschäme. Schreibt Ihr jetzt so wie Ihr Flughäfen baut ...? Ahoi aus dem Norden. Conny

  • PA
    Peter A.

    Dieser Artikel spricht mir sowas von aus der Seele. 23 Mio Steuergelder für ein Disneyland an der Ostsee, das außer dem Zoo Rostock niemand braucht, und den braucht seinerseits niemand. Ja, für den alten Gorilla Assumbo und die vier Orangs, die bisher unter indiskutablen Bedingungen gehalten wurde, ist es eine Verbesserung. Aber das wäre schneller und besser und billiger möglich gewesen. Das allerbeste wäre ohnehin gewesen, die Menschenaffenhaltung komplett einzustellen. Stattdessen plant man in Rostock neue "Nachzuchten". Zoodirektot Nagel phantasiert von wenigstens 12 Gorillas auf der neuen Anlage, die dann sehr schnell wieder so wenig Platz bietet wie der Pferch zuvor. Es ist eine Affenschande!

  • DW
    da win

    Warum steht dieser Artikel in der Satirerubrik 'Wahrheit'?