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Archiv-Artikel

DIE REFORMEN IN PALÄSTINA MÜSSEN VIEL WEITER GEHEN Das unwürdige Karussell der Abus

Regierungschef in Palästina zu sein ist keine beneidenswerte Aufgabe. Innerhalb der engen Grenzen, die durch die kompromisslose israelische Besatzungsmacht auf der einen und den an Lichtgestalten neben ihm nicht interessierten Präsidenten Arafat auf der anderen Seite gesetzt werden, bleibt kein Spielraum – weder, ein Profil zu entwickeln noch eine entscheidende Zahl von Anhängern in der palästinensischen Bevölkerung hinter sich zu versammeln. Auf diese Weise müssen auch an sich geeignete Arafat-Weggefährten wie der bisherige Amtsinhaber Mahmud Abbas alias Abu Masen und der zukünftige Premier Ahmed Kurai alias Abu Ala fast zwangsläufig scheitern.

Nach Abbas’ Rücktritt stehen die Palästinenser deshalb da, wo sie vor vier Monaten schon einmal standen. Der nächste Abu, der international akzeptabel ist, erhält nun von Arafat eine Chance, die gar keine ist. Die Reihenfolge ist dabei Zufall – Arafat hätte Kurai genauso gut auch schon im März ernennen können. Dieses unwürdige Karussell der Abus offenbart die strukturellen Defizite des Reformprozesses in Palästina, an denen auch das Nahost-Quartett nicht ohne Schuld ist: Das Amt des Premiers wurde nur auf internationalen Druck eingeführt – und zwar überhastet und ohne Klärung der Befugnisse, allein in der blinden Hoffnung, dass Arafat klein beigeben werde.

Nun hat sich der lange Arm des Präsidenten so überdeutlich gezeigt, dass das Amt irreparabel beschädigt wurde. Doch anstatt Lehren aus dem Fall Abbas zu ziehen und eine konsequente Reform der Autonomiebehörde sowie freie Wahlen für beide Spitzenämter zu fordern, gibt sich die internationale Gemeinschaft der nächsten Illusion hin: dass vielleicht Kurei ein Wunder gelingen wird. Aber auch der wird wohl mehr Zeit mit Kompetenzstreitigkeiten und Intrigen als mit wirklicher Politik verbringen müssen.

Auf der Strecke bleibt dabei die Roadmap zum Frieden, die jetzt auf allen Seiten als obsolet betrachtet wird. Dabei ist sie, wenn man sie an inhaltlichen Vorgaben misst, noch nicht einmal in Kraft getreten. YASSIN MUSHARBASH