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DIE NIEDERLAGE DER SANDINISTEN IN NICARAGUA IST SELBST VERSCHULDETOpposition dringend gesucht

Mit einer klaren Mehrheit haben die NicaraguanerInnen am vergangenen Sonntag den Kandidaten der Liberalen Partei, den bisherigen Vizepräsidenten Enrique Bolaños, zum neuen Präsidenten des Landes gewählt. Merkwürdig: Wenn ein Land in einer so miserablen Situation steckt – verarmt, verschuldet, mit 70 Prozent Arbeitslosigkeit und einem Niveau von Regierungskorruption, das seinesgleichen sucht – dann siegt eigentlich immer die Opposition, wer sie auch sei. Sie hat nicht gewonnen. Die NicaraguanerInnen ziehen trotz der Misere politische Kontinuität einer neuen sandinistischen Regierung unter Daniel Ortega vor – ein Schlag ins Gesicht des Exrevolutionärs und seiner Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN).

Sicher ist die Wahlniederlage der Sandinisten auch ein erster Erfolg der neuen Lateinamerika-Riege des US-Präsidenten Bush, der fast alle alten Kämpen der Reagan-Ära wieder in Amt und Würden berufen hat. Die FSLN hat ihre Symbolik und Programmatik seit dem Ende der revolutionären Regierung 1990 bis zur Unkenntlichkeit verändert. Nicht so in Washington. Hier scheint die Zentralamerika-Politik das Ende des Kalten Krieges nicht mitbekommen zu haben. Offen wurden für den Fall eines sandinistischen Wahlsieges negative Konsequenzen angedroht.

Aber es wäre zu einfach, die Gründe für Bolaños’ Wahlsieg nur in den USA zu verorten. Die FSLN hat es nicht geschafft, sich als glaubwürdige Alternative aufzubauen, deren Regentschaft das Los der NicaraguanerInnen verbessern würde. Dafür ist sie nicht zuletzt selbst verantwortlich, hat sie doch in den letzten Jahren offen mit der korrupten Alemán-Regierung paktiert und damit den Eindruck vertieft, den sandinistischen Führern ginge es nur um die Macht. Sandinistische Dissidenten wie Sergio Ramírez, Ernesto Cardenal und Gioconda Belli haben nicht ohne Grund offen zum Wahlboykott aufgerufen.

Die Niederlage zeigt aber auch, wie tief bei vielen NicaraguanerInnen das Trauma der 80er-Jahre sitzt, als die sandinistische Regierung zwar Sozialprogamme schuf und die Umverteilung des Reichtums in die Wege leitete, das Land aber durch Krieg, politische Arroganz der selbst ernannten Avantgarde und konsequente Misswirtschaft in den Ruin getrieben wurde. Daniel Ortega ist mit dieser Zeit untrennbar verbunden. Wenn es die FSLN nicht schafft, sich aus dem Würgegriff seiner alten korrumpierten Führungsriege zu befreien, wird sie auch das Stigma behalten. Aber Nicaragua braucht eine echte Opposition. Ortega muss dafür den Weg frei machen. BERND PICKERT

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