DIE LINKE UND KLAUS LEDERER: Parteichef neuen Typs
Beim Landesparteitag am Samstag wird Klaus Lederer (36) wohl im Amt bestätigt. Dabei haben die Genossen zuletzt an seiner Führungskraft gezweifelt.
An diesem Samstagnachmittag wird ein jugendlich wirkender Mann in einer Lichtenberger Schulaula eine Wahl annehmen und gut 170 Parteitagsdelegierten für ihr Vertrauen danken. Klaus Lederer, 36 Jahre alt, wird dann auch für ein sechstes und siebtes Jahr Chef der Berliner Linkspartei bleiben. Wenn nicht noch Überraschendes geschieht, wird das erneut ohne Gegenkandidaten geschehen. Das ist umso auffälliger, weil noch vor Kurzem zu hören war, an ihm laufe so einiges vorbei in der Partei.
Denn Lederer ist ja nicht unbedingt das, was man einen warmherzigen, väterlichen Vorsitzenden nennt, einer, der die Seele seiner Partei verkörpert. Er ist eher der fordernde Typ: klug, strategisch denkend, ungeduldig mit denen, die seinen Gedanken nicht folgen können.
"Er ist hochintelligent, sehr schnell und gut organisiert", sagt der SPD-Fraktionsvize Fritz Felgentreu, der ihn seit Jahren aus den Führungszirkeln der rot-roten Koalition und aus dem Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses gut kennt. "Ich mag ihn, das ist ein guter Typ", sagt der SPDler, der als führender Kopf des rechten Parteiflügels keiner besonderen Nähe zur Linkspartei verdächtig ist. Aber Lederer könne auch schnell aggressiv werden. "Ich kann mir vorstellen, dass dem ein oder anderen bei ihm die emotionalen Streicheleinheiten fehlen."
Große Umwälzungen sind vom Landesparteitag der Linkspartei am Wochenende nicht zu erwarten: Der Landesvorstand wird gewählt, der aktuelle wird wohl auch der neue Vorstand werden.
Außerdem werden die 175 Delegierten über die ersten Weichenstellungen des Wahlkampfs diskutieren. Auf der Tagesordnung stehen Anträge zu den Themen soziale Stadt, Arbeit und Arbeitslosigkeit und dem Volksbegehren zu den Wasserbetrieben.
Geht es nach dem Landesvorsitzenden, gibt es auch erste Entscheidungen über die Struktur des Programms für die Abgeordnetenhauswahl im September.
Im Parlament etwa passiert das zurzeit oft, wenn die Grünen sich nach Lederers Verständnis zu selbstbewusst und zu gutmenschlerisch darstellen. Pures Aufplustern ist das für ihn. Dann sind schnell Zwischenrufe von ihm zu hören. Dann kann der Parteichef mit dem glatten Gesicht, der auf den ersten Blick so nett wirkt, zynisch werden, sezierend, ätzend bis an den Rand des Beleidigenden.
Jüngst im Plenum hielt Lederer dem Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann vor, zu halluzinieren, und unterstellte ihm Verschleierung von Verantwortung und Fakten. Auch im kleinen Kreis kann seine Stimme schnell einen aggressiven Ton bekommen, wenn jemand für ihn zu langsam denkt oder ihn ein Thema besonders bewegt.
Dass Lederer bei Ratzmann so schnell auf Touren kam, lag sowieso nahe: Es ging um die umstrittenen Wasserverträge - und das ist ein Thema, bei dem Lederer sich wissenschaftlich besser als jeder andere im Parlament auskennt. Um sich davon zu überzeugen, muss man nur in den 5. Stock der Bibliothek der Humboldt-Universität gehen und aus einem unterem Regalfach das Buch mit der Signatur 2004 A 4327 ziehen. Das ist Lederers 2004 abgeschlossene und mehrfach ausgezeichnete juristische Doktorarbeit. Thema: "Strukturwandel bei kommunalen Wasserdienstleistungen".
Eigentlich hatte er nur die Teilprivatisierung in Berlin untersuchen wollen. "Dies scheiterte letztlich an der zwischen dem Land Berlin und den Investoren vereinbarten Geheimhaltungsklausel", schreibt Lederer im Vorwort, wo von einer "konspirativen Verflechtung öffentlicher Infrastruktur" zu lesen ist. Mit der jüngst erfolgten Offenlegung der Verträge schließt sich auch für ihn persönlich ein Kreis.
Im Abgeordnetenhaus schätzen ihn nicht nur Leute aus dem Regierungslager wie SPD-Mann Felgentreu. CDU-Mann Andreas Gram, langjähriger Chef des Rechtsausschusses, hält ihn für einen fähigen Rechtspolitiker, mit dem man bei allen politischen Differenzen gut zusammenarbeiten könne. Als angenehm im Umgang beschreibt ihn sein FDP-Ausschusskollege Sebastian Kluckert und betont, dass Lederer mit Fakten und nicht ideologisch argumentiere.
Dieser eher unideologische Ansatz passt zu dem Bild, das Lederer von sich selbst zeichnet. "Links ist man nicht, links handelt man", schreibt er auf seiner Website. "Sekten" nennt er schon mal die im Westen beheimateten kleinen Parteizirkel von Trotzkisten, Maoisten, alten DKPlern. Was nicht heißen soll, dass Lederer nicht auch bei Bedarf das passende Marx-Zitat zur Hand hat.
Nun werden sich die Linksparteidelegierten am Samstag weniger von lobenden Worten von CDU- oder FDP-Politikern beeindrucken lassen. Als im Frühherbst die koalitionsinterne Diskussion über die Verlängerung der Autobahn 100 kulminierte und plötzlich von einer angeblichen Einigung auf die Befürwortung des Weiterbaus die Rede war, schien es, als laufe die Entscheidungsfindung am Landeschef vorbei. Da sah es so aus, als bestimme Wirtschaftssenator Harald Wolf, ohne Amt in der Partei, aber dennoch ihr starker Mann, die Linie. Und Wolf galt manchem ohnehin als verdächtig, wegen seines Senatsposten gar nicht so sehr gegen den von der Wirtschaft so forcierten A-100-Ausbau zu sein, den die Linkspartei seit einem Parteitag im April ablehnt.
"Da ist gar nichts an mir vorbeigegangen", sagt Lederer zu diesem Vorwurf. Er und Wolf hätten stets in engem Kontakt gestanden und sprächen ihre Presseerklärungen meist miteinander ab. Und wenn dass mal nicht passiere, habe das technische und nicht inhaltliche Gründe. "Wir haben uns noch niemals ausgetrickst", sagt Lederer. Die angebliche Einigung auf den Weiterbau war auch schnell wieder passé. Lederer kann vor den Mitgliedern damit werben, einen Baustart noch vor der Abgeordnetenhauswahl 2011 verhindert zu haben, auch wenn die Planungen weiterlaufen.
"Ein ganzes Leben in der Politik und für die Politik kann ich mir aus heutiger Sicht nicht vorstellen", sagt Lederer, der auch Lehrbeauftragter ist und als Rechtsanwalt der Kanzlei "Hummel. Kaleck" firmiert - bis 2007 auch der Kanzlei des von ihm so abgemeierten Grünenfraktionschefs Ratzmann. Aber noch mal zwei Jahre an der Spitze der rund 10.000 Berliner Linksparteiler zu stehen, so weit reicht seine Vorstellungskraft doch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was