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DIE LINKE – RADIKAL UND BEQUEM/EINE ANTWORT AUF RUDOLF WALTHERLe Pen und die Rache der Fundis

Lionel Jospin machte in seiner Abschiedsrede die „Demagogie der Rechten“ und die „Fragmentierung der Linken“ für seine Niederlage verantwortlich. In der Tat redet die gemäßigte Rechte oft genauso demagogisch wie Le Pen, den sie nach dem x-ten Schuss vor den Bug nun rechts überholen und mit der ihm eigenen Rhetorik im Zaum halten will. Nicht vergessen ist jedoch, dass erst der Opportunismus der Linken, allen voran der von François Mitterrand, Le Pen groß gemacht hat. Denn der war zur Spaltung der Rechten und zum Machterhalt der damaligen Linksunion nützlich.

Und so ist es, da sich die größte Rechtswende seit langem vollzieht und noch mehr Nationalpopulisten ante portas stehen, angebracht, auch den Beitrag der Linken zu diesem Debakel anzusprechen. Das Mobilisierungsdefizit, das in der französischen Rekordenthaltung zum Ausdruck kommt, betrifft vor allem das alt und lahm gewordene „Volk der Linken“. Viele sind schlicht in die Ferien gefahren, obwohl die Umfragen nichts Gutes verhießen. Und das könnte der rot-grünen Regierung in Deutschland im Herbst genauso ergehen.

Überall in Europa kehren vor allem die Jungen der linken Mitte den Rücken zu. Aber warum soll man sie und deren französische Version, die „gauche plurielle“, eigentlich noch unterstützen? Jospin als Repräsentant der linken Mitte hat keine 17 Prozent erhalten, aber die diversen Kandidaten der Linken insgesamt 44 Prozent, genauso viele Prozentpunkte wie bei den Parlamentswahlen 1997 und 7 mehr als bei der letzten Präsidentschaftswahl. Doch diesmal zehrten die Dissidenten, der „Nicht-Links-Nicht-Rechts“-Nationalist Chevènement, der Grüne Mamère, der abgewrackte KP-Chef Hué und die Autonomistin Taubira von dem Polster, das der Kandidat der vereinten Linken nun einmal für den zweiten Wahlgang benötigt.

Diese Absetzbewegung, die bei Chevènement auch inhaltlich, gegen den Europakurs und die Marktorientierung der Sozialisten, begründet ist, wurde noch übertroffen durch den wiederauferstandenen Linksradikalismus, der mit drei trotzkistischen Kandidaten 11 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte. Das hat im gallischen Dorf Tradition, ist aber nicht auf Frankreich beschränkt. Die Programme der linksradikalen Kandidaten und die Motive ihrer Anhänger stehen in scharfer, fast unversöhnlicher Opposition gerade zur „pluralen Linken“. Sie formulieren – ironisch genug, aber die Geschichte ist über das Schisma hinweggegangen – altstalinistische oder neokommunistische Positionen der Globalisierungsgegner, die in Frankreich besonders protektionistisch ausgerichtet sind. Das Kalkül des „kleineren Übels“, wonach man die gemäßigte Linke unterstützen muss, um die radikale Rechte zu verhindern, könnte zu den französischen Parlamentswahlen noch einmal aufgehen. Aber es nähert die „Bewegungslinke“ nicht mehr der „Regierungslinken“ an, die der Globalisierungskritik gegenüber noch weniger aufgeschlossen ist als selbst der Milliardär und Spekulant George Soros oder der ehemalige Weltbank-Chefökonom Stiglitz.

Deren Pamphlete liegen auf den Vorstandstischen der Deutschen Bank und beim Unternehmerverband BDI. Aber die deutschen Grünen und Sozialdemokraten stellen sich taub, noch mehr als ihre französischen Genossen, die im Januar immerhin zum Weltsozialgipfel nach Porto Alegre gefahren sind. Man kann die Position der Globalisierungskritiker verstehen, auch wenn man ihre Ausdrucksformen und vor allem ihre fundamentalistischen Äußerungen nicht teilen mag. Es wäre jedenfalls Zeit, dass die rot-grüne Restregierung Europas aus der Lethargie erwacht und zur Kenntnis nimmt, dass nicht nur die Rechte in Zeiten der Rezession und Unsicherheit stärker geworden ist. Auch ihre eigenen Bataillone sind von den Fahnen gegangen. Neokommunistische Parteien, Gruppen und Intellektuelle stehen bereit, frustrierte Grünenwähler ans Herz zu drücken und die Rache der Fundis zu exekutieren. Spätestens jetzt entscheidet sich, ob die Kritik der Globalisierung und Ansätze zu einer alternativen Gestaltung vor allem außerparlamentarisch sind, oder ob sich auch die „Regierungslinke“ ihrer ernsthaft annimmt.

DANIEL COHN-BENDIT, CLAUS LEGGEWIE

Daniel Cohn-Bendit, Europaabgeordneter der Grünen Claus Leggewie, Professor für Politikwissenschaft in Gießen (Rudolf Walthers Beitrag, der Jospins Niederlage als hausgemacht analysiert, erschien in der taz vom 23. April.)

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