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DIE KENNZEICHNUNG VON HINDUS IN AFGHANISTAN IST KEIN „JUDENSTERN“Die Farbe Gelb

Taliban bedeutet „Strebende nach Wissen“. Doch mit diesem Streben ist es in den Koranschulen nicht weit her, aus denen die meisten der heutigen Machthaber Afghanistans kommen. Dort wird vor allem über dem Koran gebrütet. Manchmal gehört auch Schießtraining zur Ausbildung. Deutsche Geschichte hingegen steht nicht auf dem Lehrplan. Woher sollten die kalaschnikowbewehrten Pseudostudenten also wissen, dass ihre „gute Idee“, die religiösen Minderheiten im Land mit Erkennungszeichen auszustatten, in allen Himmelsrichtungen Entsetzen auslösen würde?

Nach Sicht der Taliban soll die Kennzeichnung den afghanischen Hindus Übergriffe der Religionspolizei ersparen – denn diese ist nur für die Einhaltung der Bekleidungs-, Haar- und Barttrachtbestimmungen für Muslime zuständig. Dass allein schon die Verwendung der Farbe Gelb im Westen Erinnerungen an den von den Nazis verordneten „Judenstern“ wecken würde, konnten die Taliban wohl nicht einmal ahnen – denn dieses Gelb heißt in Afghanistan „Safran“ und ist die Farbe der Hindus. Mit den Nürnberger Rassegesetzen hat die afghanische Kennzeichnungs-Fatwa also nicht viel zu tun. Aber der neuste Einfall der Taliban-Regierung verdient aus anderen Gründen, verdammt zu werden. Denn die Kennzeichnung macht Angehörige religiöser Minderheiten erst verletzlich: Hindus, die sonst in der Masse der Afghanen untergehen würden, werden dadurch exponiert. Hinzu kommt, dass die Taliban nicht gerade für eine konsistente Politik bekannt sind, wie nicht zuletzt die Buddha-Zerstörung vor Augen führte: Noch vor zwei Jahren waren die Kunstwerke offiziell unter Schutz gestellt worden.

Wer garantiert den afghanischen Hindus, dass sie nicht in ein paar Monaten oder auch Jahren doch Zielscheiben für Übergriffe oder Pogrome werden? Dass die Talibansche Minderheitenpolitik nicht immer auf deren Schutz ausgerichtet ist, davon können die schiitischen Hazara mehr als nur ein Lied singen. Mitte Januar fielen 300 unbewaffnete Angehörige dieser Minderheit im Städtchen Yakaolang einer systematischen Racheaktion zum Opfer. Aber diese Meldung schaffte es nicht auf die Titelseiten der Weltpresse. JAN HELLER

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