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DIE KATHOLISCHE KIRCHE MUSS IHRE ZWANGSARBEITER ENTSCHÄDIGENUnwürdiges Geschacher

Ein Mea culpa zu sprechen ist in der katholischen Kirche modern. Der Papst hat es getan, die brasilianische Bischofskonferenz, der Erzbischof von Los Angeles. Selbst der Erzbischof und Polemiker Dyba entschuldigte sich kurz vor seinem Tode bei allen, die er verletzt habe. Doch auf ein Schuldbekenntnis warten wir bisher vergeblich: dass die katholische Kirche eingesteht, sie habe während der Nazizeit Zwangsarbeiter eingesetzt. Und sich bereit erklärt, in den Entschädigungsfonds einzubezahlen.

Die Kirchen verstehen sich als moralische Instanzen, denen es um Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit geht. Soweit der Anspruch. Die Wirklichkeit der katholischen Kirche sieht anders aus. Statt großzügig und schnell auf die Nachrichten vom Zwangseinsatz in Klöstern und auf Friedhöfen zu reagieren, schachert die Deutsche Bischofskonferenz. Bevor sie Ende August über eine Beteiligung entscheidet, will sie zunächst in tausenden Gemeinden und Einrichtungen überprüfen, ob es dort überhaupt Zwangsarbeiter gegeben habe. Ob sie je zahlen wird, ist ungewiss.

Dieses Lavieren, dieses Sich-aus-der Verantwortung-Stehlen ist unwürdig. Selbst wenn die Katholiken – was längst widerlegt ist – keinen einzigen Zwangsarbeiter beschäftigt hätten, müssen sie sich am Fonds beteiligen. Die Kirchen waren in das Gewaltsystem der Nationalsozialisten verstrickt. Sie tragen mit an der historischen Schuld. Grund genug für eine Wiedergutmachungsgeste.

Darüber hinaus: Niemandem wurden Fremdarbeiter aufgedrängt. Jede Firma und jede Institution musste sie anfordern. So ist es Geschichtsklitterung, wenn das Erzbistum Berlin behauptet, die Kirchen hätten Zwangsarbeiter wahrscheinlich nur aufgenommen, um sie zu schützen. Alle historischen Belege sprechen dagegen. Wahrscheinlich ging es den Arbeitern bei den Kirchen zwar besser als anderswo. Aber bestellt wurden sie zum Nutzen der Institution, nicht aus Nächstenliebe.

Katholische Christenpflicht kann hier nur heißen: Einsicht in die politische Verantwortung. Und Einzahlen in den Fonds. Die evangelische Kirche hat es vorgemacht. BASCHA MIKA

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