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DIE GRÜNEN SIND EINE WESTPARTEI. SIE MÜSSEN NUR ENDLICH DAZU STEHENSchluss mit der grünen Heuchelei!

Der Rücktritt von Gunda Röstel als Parteichefin macht die Grünen endgültig zur ostfreien Zone. Zehn Jahre lang hat die Partei zielstrebig darauf hingearbeitet. Jetzt sollte sie diesen Zustand auch feiern. Aber was macht sie? Sie heult und heuchelt.

Natürlich vergessen wir den Osten nicht, sagen routiniert ein paar westdeutsche Spitzenpolitiker der Partei. Und wie es sich für ausgebuffte Politprofis gehört, haben sie auch schon eine Idee: Gunda Röstel könnte doch als Koordinatorin in der Bundestagsfraktion den Aufbau Ost organisieren. Diesen spannenden Posten hatten die Grünen extra für eine andere prominente Ostpolitikerin geschaffen, von der sie auch schon nicht wussten, wohin mit ihr: Marianne Birthler. Die Bürgerrechtlerin wechselt im Frühjahr Gott sei Dank zur Gauck-Behörde. Posten frei, Problem gelöst.

Vergesst uns den Osten nicht, fordern routiniert ein paar ostdeutsche Grünen-Politiker (doch, doch, die gibt’s noch). Und wie es sich für gedemütigte Feierabendpolitiker gehört, haben sie auch schon eine Idee: Eine Frau oder ein Mann aus Ostdeutschland sollte eine der beiden grünen Führungspositionen einnehmen. Mit Gunda Röstel hat das doch prima geklappt: Sie trat den Beweis an, dass routinierte Langeweile in der Politik schon lange kein westdeutsches Privileg mehr ist. Dass Röstel aus dem Osten war, merkte man am Ende nur noch daran, dass sie das grüne Parteichinesisch ins Sächsische übersetzte. Sie war engagiert, beflissen und – überfordert. Wenn dieses Paradebeispiel grüner Personalpolitik nicht zur Wiederholung einlädt.

Eigentlich müsste man schreien, einfach nur noch schreien. Schluss mit dem Geheule! Keine Quoten-Ossis mehr! Ende der grünen Ost-West-Debatte für die nächsten zehn Jahre! Das Einzige, was die Grünen in dieser Frage noch gewinnen können, ist die Einsicht, dass es nichts mehr zu gewinnen gibt. Die Grünen sind eine westdeutsche Partei. Punkt, aus, Feierabend. Programmatik, Personal, Präsentation, Sprache, Gestik – alles westdeutsch. Es gibt Schlimmeres als das, und man darf das nicht nur als Vorwurf an den Westen verstehen. Aber die Partei muss endlich dazu stehen.

Die Vereinigung der westdeutschen Grünen mit dem ostdeutschen Bündnis 90 war ehrenwert, vielleicht sogar unvermeidlich, aber sie war eine Kopfgeburt einiger weniger Politiker. Den Grünen fehlt im Osten bis heute das soziale Hinterland. Da hilft schon lange kein Ostpromi mehr. Da hilft nur noch ein stiller, beharrlicher Neuaufbau von unten, mit neuen Leuten und neuen Ideen. Das wird ein paar Jahre dauern. Wenigstens so lange sollte Schluss sein mit der grünen Heuchelei. JENS KÖNIG

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