DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK ÜBERRASCHT MIT ZINSSENKUNG: Ein gelungener Coup
Die Überraschung ist der Europäischen Zentralbank EZB bestens gelungen. Seit Monaten fordert alles, was in der Finanzwelt Rang und Namen hat, die Zinsen sollten nun endlich auch in der Eurozone gesenkt werden. Doch die EZB stellte sich stur. Nach jeder Ratssitzung meldeten die Agenturen ihr emotionsloses „EZB lässt Leitzinsen unverändert“. Gestern nun rechnete niemand mehr mit einer Zinssenkung – und die Nachricht aus Frankfurt riss Börsianer und Journalisten aus der Mittagspause: Die ersehnte Zinssenkung ist da.
Dass die EZB die Zinsen gesenkt hat, ist gut. Und es ist schlau, dass die Bank so lange damit gewartet hat. Sie beweist so, dass sie politisch unabhängig ist und sich von den Finanzmärkten nicht unter Druck setzen lässt. Sie nimmt damit denen Wind aus den Segeln, die meinen, der EZB mangle es an Glaubwürdigkeit, weil sie noch keinen Vertrauensbonus erwirtschaftet habe. Seit Beginn ihrer Existenz wird die Bank misstrauisch beäugt. Nimmt sie ihre Aufgabe auch wirklich wahr: sich einzig und allein um die Stabilität des Euro zu kümmern, nicht aber um dessen Wechselkurs oder gar politische Interessen? Eine der Begründungen für den im Vergleich zum Dollar schwachen Euro lautete denn auch: Geldanleger wüssten noch nicht, woran sie bei der EZB sind. Deshalb würden sie nicht in die Gemeinschaftswährung investieren.
So schlau es war, die Zinsen nicht direkt auf Knopfdruck aus Washington, Berlin oder Paris zu senken – so gut ist es nun, es letztendlich doch zu tun. Denn die Konjunkturprognosen sind in den letzten Wochen von allen Wirtschaftsorganisationen nach unten korrigiert worden. Und der heimliche Grund, weshalb die EZB – neben der Inflationsgefahr – wohl so lange an den hohen Zinsen festgehalten hat, ist ohnehin längst keiner mehr: Hohe Zinsen sollten den Eurokurs stärken. Weil das aber nicht der Fall war, sind neuerdings immer mehr „Analysten“ vom Gegenteil überzeugt: Nur niedrigere Zinsen könnten dem Euro helfen – weil durch sie die Wirschaft angekurbelt würde.
Nur: So einfach funktioniert die Finanzwelt dann aber doch nicht: Kaum senkte die EZB gestern die Zinsen, stieg der Eurokurs. Um kurz darauf wieder zu fallen. KATHARINA KOUFEN
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