DIE DEUTSCHE EINHEIT IST DA: DER KANZLER NIMMT OSTDEUTSCHE IN SCHUTZ: Wessis, faule Säcke!
Der Kanzler findet, dass es im Osten keine faulen Säcke gibt. Ja, is denn heit scho Weihnacht’n?
Noch nicht, keine Bange. Gerhard Schröder hat nur preisgegeben, dass seine anspruchsvolle Bemerkung, es gebe kein Recht auf Faulheit, von den Ostdeutschen falsch verstanden wurde. Er habe damit nur diejenigen gemeint, die arbeitsfähig seien, aber angebotene Arbeitsplätze ohne verständlichen Grund ablehnten. In Ostdeutschland hingegen sei das Hauptproblem ein anderes. Dort fehlten – Achtung, jetzt kommt’s – Arbeitsplätze.
Man weiß gar nicht, wofür man Schröder mehr Respekt zollen soll: für sein Kanzleramt, das nur vier Wochen gebraucht hat, um herauszufinden, dass im Osten Arbeitsplätze fehlen, oder für sein Kanzleramt, das nur vier Wochen gebraucht hat, um herauszufinden, dass demzufolge im Westen keine Arbeitsplätze fehlen. Für diese intellektuelle Gleichbehandlung von Ost und West auf höchstem Niveau gibt es eine angemessene Bezeichnung: deutsche Einheit. Endlich darf man als Ostdeutscher ausrufen: Wessis, ihr seid faule Säcke!
Dieses späte Glück verdanken wir ausgerechnet einem Niedersachsen, der noch vor zehn Jahren als Ministerpräsident seines Landes gegen den Einheitsvertrag gestimmt hat. Jetzt ist dieser Niedersachse Bundeskanzler, und nichts liegt ihm mehr am Herzen als die Vollendung der deutschen Einheit. Dieses hehre Ziel treibt ihn Woche für Woche nach Ostdeutschland: gestern im Fußballstadion von Energie Cottbus, heute zum 1. Mai in Rostock, morgen schon wieder auf großer Sommerreise. Und überall verspricht Schröder, die finanzielle Unterstützung für Ostdeutschland fortzuführen.
Jawoll, so machen Chefsachen Spaß. Die gute Laune lässt sich der Kanzler auch nicht durch Vorwürfe verderben, er buhle nur um den Osten, weil er sonst Gefahr laufe, dort die nächsten Wahlen zu verlieren. Trübe Wirtschaftslage, schlechte Stimmung und nur sieben Prozent SPD-Stammwähler – so haben Schröders Wahlkampfmanager vor kurzem die Lage im Osten geschildert. Aber der Kanzler soll gar nicht richtig zugehört haben. Ich will keine Wahlen gewinnen, soll er gerufen haben. Ich will fleißige Menschen glücklich machen.
Der wahre Kanzler der Einheit! JENS KÖNIG
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen