DIE AKTIENKURSE FALLEN, UND EINE NEUE KAPITALISMUSKRITIK ENTSTEHT: Alles Banane
Im Fernsehmagazin „Stern TV“ bekam ein Affe einen Haufen Bananen vor sich hingelegt, gekennzeichnet mit Firmennamen. Er griff sich fünf Bananen und stellte sich so ein Aktiendepot zusammen. Ihm gegenüber saß ein Analyst und wählt fünf Werte aus, mit denen er seinerseits ein Depot aufbaute. Nach einigen Wochen wurde die Wertentwicklung verglichen: Der Schimpanse Johnny ist der Gewinner, das Depot des Finanzexperten hat hingegen an Wert verloren. Analysten sind dümmer als Affen, und die Börse ist sowieso Banane, so lautet die Botschaft der Fernsehsendung.
Die Finanzwirtschaft ist ein Affenzirkus – das Bild spiegelt eine gegenüber der vergangenen Börseneuphorie stark gewandelte Einschätzung nicht nur der Geldwirtschaft, sondern des Kapitalismus insgesamt. In dem Maße, in dem die Marktwirtschaft als vom Börsengeschehen dominiert erlebt wird, erscheint der Kapitalismus als unseriös. Das ist eine Entwicklung, die sich nicht nur bei linken Globalisierungskritikern, sondern auch in der konservativen Mittelschicht verfolgen lässt. Der Börsenekel lässt konservative Werte wieder erstarken.
Zuerst kommt der Wert einer puritanischen Arbeitsethik wieder. Jetzt sieht man, dass sich Geld eben nicht durch Börsenzockerei verdienen lässt, sondern vor allem durch ehrliche Arbeit, schreiben Kommentatoren. Daraus spricht ein bisschen Schadenfreude gegenüber den Jungunternehmern aus der Internetökonomie, die Arbeit nur noch als Spiel zu betrachten schienen. Mit dem Zusammenbruch der Neuen Ökonomie scheinen die Älteren mit ihrer Arbeitsethik von Fleiß und Erfahrung rehabiliert. Aktienspekulation erscheint als Gier, und Gier wurde im christlichen Wertekanon immer als Sünde betrachtet. Auch die vermeintliche Entstofflichung durch die Neue Ökonomie wird teilweise rückgängig gemacht: Viele Menschen kaufen lieber im Laden ein als über das Internet. Schon im 19. Jahrhundert kritisierten Konservative die Entstofflichung durch die kapitalistischen Produktionsweisen.
In Deutschland gab es schon immer latente Vorbehalte gegen den Kapitalismus, schon das Wort hat hier einen negativeren Klang als in den angelsächischen Ländern, lieber sprach man hierzulande von „Marktwirtschaft“, das klingt heimatlicher Von diesem Unbehagen am Kapitalismus werden künftig linke Globalisierungskritiker ebenso profitieren wie Konservative, die zum Rückzug auf alte Werte blasen. Daraus entsteht eine neue Freiheit der Kapitalismuskritik – aus Elementen der Umverteilung und dem Respekt vor Traditionen.
BARBARA DRIBBUSCH
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