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Archiv-Artikel

DIE ACHSE DES METAL – VON HARALD FRICKE

Apokalypse in laut

Die Zeit meint es gut mit Metal. Keine andere Musik verkörpert so stramm „anti“ als Haltung, suhlt sich in der Negation und gibt einen Scheiß auf Vernunft. Hier ist nur das Böse verbindlich, hier rauschen die Affekte, hier ist Splatter eine finstere Umschreibung für Gesellschaft, und die Übergänge von „purity“ zu „obscenity“ sind fließend. Vor allem regiert hier seit 20 Jahren eine Band: Slayer passen mit ihrem Knochenbrechersound bestens ins Weltbild einer Apokalypse in Laut. Wenn Hass auf die Verhältnisse irgendwo hoch im Kurs steht, dann bei diesen vier Herren, die selbst im reifen Mittvierzigeralter noch die abstrusesten satanischen Verse rausbolzen, als wäre ihnen Satan tatsächlich auf den Fersen. Meistens geht es gegen Gott als den schlimmsten Kriegstreiber, „Jihad“ nimmt sich die Bin-Laden-Front vor, aber auch Bush wird auf „Consfearacy“ heftigst zerschreddert, während der Kampfgesang von Tom Arraya in den Ohren gurgelt.

Der Reiz von „Christ Illusion“ liegt dabei nicht so sehr in den sturzkaputten Texten, die sich mit blasphemischem Ingrimm feste an der Bibel abarbeiten. Es ist der Druck, der Turbinendonner von Schlagzeuger Dave Lombardo, dazu Kerry King und Jeff Hannemann, die mit ihren verzwirbelten Gitarrenläufen eine Art düsenangetriebenen Progrockpogo liefern. Manchmal klingt es nach King Crimson auf Speed, nur wächst auf diesen Wiesen wohl nie wieder Gras. Daran haben sogar Mitteschicksen ihren Spaß: Härte is the new cool.

Slayer: „Christ Illusion“ (American Recordings)

Leidding als Jungskick

Man kann sich Metal auch als das fette Geschäft vorstellen, mit dem die Musikindustrie auf die depressive Gefühlslage in den Suburbs und Provinznestern des freien Westens reagiert. Dort ist das pathetische Leidding der ultimative Jungskick, der all die Skateboarder, Pizzalieferanten und Billigjobber da draußen vereinigt, solange es mit dem Sex noch nicht klappt. Dann kommt man schnell auf Korn, Mudvayne und Godsmack, die diese Sehnsucht nach Frust professionell bedienen. Oder auch auf Stone Sour.

Die Band ist ein breit rockendes Seitenprojekt von Corey Taylor und James Root, die bei Slipknot für Gesang und Gitarre zuständig sind. Da schließt sich der Kreis: Slipknot stammen aus einem Niemandsland namens Iowa und waren Ende der 90er-Jahre die wandelnde Zitatehalde des Metal, ihr Sound ein Musik gewordener Stephen-King-Roman. Als Zombies maskiert verwurstete die Gruppe so ziemlich alles von Industrial, Hiphop-Breaks, Brüllrap und Thrash. Immer ging bei Slipknot noch etwas krasser, knalliger – und überhaupt: mehr – als bei Marilyn Manson oder Nine Inch Nails. Diesen Kurs behält Taylor mit Stone Sour bei, zusätzlich durch Melodic-Pomp veredelt: Klebrige Spuren in Moll führen zurück zu Grunge, wechseln zu Balladengeeier wie „Sillyworld“ und zur nächsten Single „Through Glass“ als Naschwerk für Leute, die im Stadion Feuerzeuge schwenken, damit sie nicht so allein sind in der Masse. Das ist noch immer eine mächtige Zielgruppe.

Stone Sour: „Come what(ever) may“ (Roadrunner Records)

Letzter Wille

Was aber ist aus dem Rest geworden, für den Metal in den 80er-, 90er-Jahren ein Versprechen auf Anderssein war? Die einfach nur immer weiter Hardcore leben wollten? Sind in den Tiefen des skandinavischen Doom verschwunden, haben rübergemacht zu Breakcore. Oder halten sich an alte Helden. Das ist die Stunde von Voivod: 1983 gegründet, spätestens mit dem Album „Dimension Hatröss“ (1988) als Experimentierfrickelmaschine kultisch verehrt.

Dass es danach nicht kommerziell geklappt hat, dass ihr Album „Angel Rat“ in Schieflage geriet zwischen psychedelisch schwingendem Sixties-Barock und kantigem Metaltrotz, war vielleicht ein Glücksfall. Denn seither konnte das Quartett aus Kanada ungestört von der Industrie ein Nischendasein führen und minutiös ausprobieren, welches Gitarrenfeedback besonders gut zu komischen [11]/8-Rhythmen passt. So hat jedenfalls Bandchef Denis D’Amour an seinem Laptop die Fragmente zusammengeschraubt, bevor er letztes Jahr an Krebs starb. Das Album „Katorz“, das die drei verbliebenen Bandmitglieder nun entlang dieser Songskizzen eingespielt haben, hört sich gerade deshalb auch nach letztem Willen an – man trauert zwar, aber immer auf Hochgeschwindigkeit. Gleichwohl sind die zehn Stücke wie eine Schichtenanalyse in Sachen Metal gebaut: Links röhren Texte über die falsche Irakpolitik („The Getaway“), rechts fiepen abgedrehte Gitarrensolo-Kaskaden, in der Mitte bollern Schlagzeug und Bass. Alles aus Liebe zum Mosh. Und als Erbe von Punk.

Voivod: „Katorz“ (Nuclear Blast)