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DIE ABTREIBUNGSPILLE VERSCHWINDET – UND KEINE REGT SICH AUFDas Ende der Frauenbewegung

Da löst sie sich auf, mit leisem Geblubber: die Abtreibungspille verschwindet vom deutschen Markt. Der Vertrieb werde eingestellt, er lohne nicht, meldet die Firma Femagen schlicht. Geht ein Aufschrei durchs Land? Wettert Alice Schwarzer von den Brettern der Berliner Schaubühne, wo sie just am Abend der Meldung ihr neues Buch vorstellt? Nein, Stille begleitet den letzten Akt des Schauspiels.

Grandios hatte es begonnen: Kirchenmänner, die gegen das „Tötungsmittel“ zu Felde zogen, bedenkenschwere CDU-Frauen, eine zögerliche grüne Gesundheitsministerin, deren christliche Wurzeln plötzlich so einen ziehenden Schmerz verursachten. Berichte über Mordanschläge in amerikanischen Abtreibungskliniken heizten die Debatte zusätzlich auf: Welche Art von Abtreibung ist nun wie schlimm genau, und sind Frauen besonders verantwortungsvoll oder verantwortungslos, wenn sie Pillen schlucken statt auf dem Gynäkologenstuhl die Beine für eine Operation zu spreizen?

Vorbei. Der letzte Akt ist wenig grandios, er heißt: Gezerre um ein paar hundert Mark. Die Ärzte wollen mehr Honorar für die Pillenabtreibung, die Kassen halten dagegen, und die Bundesländer sehen gar nicht ein, dass gerade sie etwas drauflegen sollen.

Zur selben Zeit feiert Viagra eine fulminante Zweijahresbilanz, mehr als 700 000 deutsche Männer schlucken die blaue Pille; jeder Urologe hat sie schon verschrieben. Platt ausgedrückt: Immer mehr Männer in Deutschland werden in Stand gesetzt, Embryos zu produzieren, mit der Leichtigkeit eines Schlucks. Immer mehr Frauen werden daran gehindert, die Folgen mit einem Schluck, von Leichtigkeit weit entfernt, zu beseitigen.

Trotzdem: Die Frauen schweigen. Warum bleibt der Aufschrei aus? Offensichtlich finden Frauen nicht mehr, dass ihre Schmerzen in die Politik gehören und hinausgerufen werden sollten, auf den Straßen. Heute beißen junge Frauen lieber die Zähne zusammen, machen Karriere und versuchen, eine Abtreibung als privates Bauchweh umzudeuten, das man heimlich der besten Freundin gesteht.

Diejenigen, die sich erinnern, dass da doch etwas politisch sein sollte, sind inzwischen Mitte fünfzig – und sind altersgemäß damit beschäftigt, eine Pille gegen Brustkrebs zu fordern. Nur ein einzelner männlicher Abgeordneter der FDP versucht, die rot-grüne Regierung per Gesetzentwurf zu bewegen, Mifegyne doch noch zu finanzieren: So sieht das Ende der Frauenbewegung in Deutschland aus. HEIDE OESTREICH

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