DGB stoppt umstrittenes 1.-Mai-Plakat: "1a deutsche Muskelarbeit"
Der Gewerkschaftsbund wollte zum 1. Mai mit "1a deutscher Muskelarbeit" werben. Nach heftiger Kritik zieht er das Plakat zurück.
MÜNSTER taz Einige Wochen vor dem 1. Mai hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eines seiner beiden Plakate zurückgezogen, mit dem für den Tag der Arbeit geworben werden sollte. Unter dem Titel "Kein Lohnpreiskrieg!" ist auf dem Plakat ein eingeschweißtes Hähnchen zu sehen, das etikettiert ist mit "1a Deutsche Muskelarbeit". "Frauenrabatt" und Praktikantenbezahlung sorgten dafür, dass es billig zu haben ist. Ein Preisschild verspricht gar einen "EU-Sonderpreis" von 99 Cent.
In Gewerkschaftskreisen hat das Plakat für heftige Kritik gesorgt. So hat die IG-Metall-Jugend den DGB aufgefordert, das Plakat zu überdenken. In einem Brief, der der taz vorliegt, heißt es: "Tatsächlich schwierig finden wir den nationalen Duktus des Plakates, der mit Stichworten wie ,1a Deutsche Muskelarbeit' in Verbindung mit dem 1. Mai dem der extremen Rechten ähnelt." Das EU-Preisschild entspreche einer "antieuropäischen Linie, die in dieser Form nur bei NPD und DVU zu finden ist". Eine Abgrenzung von rechter Ideologie sei dringend erforderlich - gerade angesichts der "jährlichen Bestrebungen von rechts, den 1. Mai für eigene Zwecke zu nutzen und zu übernehmen".
Auch der Bezug auf die "Muskelarbeit" kommt bei Teilen der Gewerkschaftsbasis nicht gut an. Damit werde ein "männliches und traditionalistisches Bild von Arbeit" gezeichnet, kritisiert die DGB-Jugend Erfurt. "SozialarbeiterInnen, LehrerInnen oder KrankenpflegerInnen werden darin ebenso wenig repräsentiert wie prekär Beschäftigte und Arbeitslose", heißt es in einer Stellungnahme. Vor allem aber bleibe beim Betrachten des Plakats die Frage offen, wer die Verantwortung für den "Lohnpreiskrieg" trage. Die Botschaft lasse Spielraum für "standortnationalistische Interpretationen".
In der DGB-Zentrale zeigt man für die Kritik wenig Verständnis: Sprecher Axel Brower-Rabinowitsch sagt, er könne keinen "nationalen Duktus" erkennen. Das Plakat sei "eindeutig der ironisch-satirische Versuch, Dumpinglöhne in Deutschland zu geißeln."
Offenbar ist der Versuch missglückt, denn wie der DGB-Sprecher gleichzeitig mitteilt, wird das Plakat nicht mehr vertrieben. Wie viele Plakate bislang verschickt wurden, will er ebenso wenig verraten wie den Grund für das Umdenken. "Über interne Diskussionsvorgänge geben wir grundsätzlich keine öffentliche Stellungnahme ab." Bei der IG-Metall-Jugend sieht man die Entscheidung als Erfolg der Proteste. Auch innerhalb des DGB wird sie auf die "Summe der Kritik" zurückgeführt.
Vor kurzem wurde das Plakat auch von der Website des DGB entfernt. Jetzt ist dort nur noch ein Plakat zu finden, das in großen Lettern fordert: "Arbeit für alle bei fairem Lohn!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt