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DGB klagt über Situation von LehrlingenAzubis wollen's anpacken

Der DGB wirft Firmen vor, zu wenig und zu schlecht auszubilden. Jugendliche hingegen seien meist hochmotiviert, so der fünfte Ausbildungsreport der Gewerkschaft.

Anspruchsvoll, auch wenn es in diesem Moment nicht danach aussieht: Angehende Kfz-Mechatroniker. Bild: AP

Auf einen gemeinsamen Nenner zumindest kommen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter: "Ja, es gibt ein Ausbildungsproblem", bekannte die regionale DGB-Vorsitzende Doro Zinke am Dienstag bei der Vorstellung des Ausbildungsreports 2010. Anders als die Kammern sieht Zinke allerdings die Unternehmen als Schuldige der Misere an: Sie stellten zu hohe Anforderungen an den Nachwuchs, bildeten oft zu wenig oder schlecht aus und hielten sich nicht an gesetzliche Vorgaben. Nach DGB-Zahlen kümmern sich lediglich 24 Prozent der Firmen in der Region um Nachwuchs. Zinke forderte Unternehmen daher auf, mehr auszubilden anstatt über Fachkräftemangel zu jammern und Lehrlinge unbefristet und in Vollzeit zu übernehmen.

Die Berlin-Brandenburger Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) befragte für ihren 5. Bericht knapp 2.200 Auszubildende. Ihre Thesen basieren ausschließlich auf den Angaben der Befragten. Das Ergebnis: Jeder vierte Lehrling muss Arbeiten übernehmen, die nicht der Ausbildung dienen. Jeder dritte macht Überstunden, obwohl dies gesetzlich verboten ist. "Das deutet darauf hin, dass Auszubildende einfach als billige Arbeitskräfte betrachtet werden", sagte Zinke. Ein knappes Drittel ist generell mit der Ausbildungssituation unzufrieden.

Das große Jammern

Etwas mehr als 11.500 Ausbildungsverträge sind im vergangenen Jahr bei Mitgliedern der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) abgeschlossen worden, knapp 5.000 waren es bei Betrieben der Handwerkskammer. Die Kammern gehen davon aus, dass es in diesem Jahr etwa genauso viele werden - doch noch seien zahlreiche Plätze unbesetzt.

Auf der virtuellen IHK-Ausbildungsplatzbörse werden derzeit 923 freie Ausbildungsplätze angeboten; bei der Handwerkskammer, die eine ähnliche Internetseite betreibt, sind es etwa 330 offene Stellen. Besonders gesucht seien Anwärter für das Fleischer- und Bäckerhandwerk sowie Fachverkäufer in diesen Sparten, sagt Wolfgang Rink von der Handwerkskammer. Woran das liegt, kann Rink nur mutmaßen: Womöglich seien diese Berufe nicht im Spektrum von Absolventen; kaum einer denkt daran, heutzutage noch Metzger zu werden. Eigentlich seien sie krisensicher. "Gegessen wird immer." Voraussetzung seien natürlich ein einigermaßen freundlicher Auftritt und Talent beim Kopfrechnen - das könnte Bewerber auch abschrecken.

Bei der IHK ist es vor allem die Situation im Gastgewerbe, die Sorgen bereitet. Für Koch-Lehrstellen etwa gibt es mehr Angebote als Nachfrage. Insgesamt indes sei das Gejammer im Moment in allen Branchen groß, sagt Christoph von Knobelsdorff, bei IHK zuständig für Ausbildung. "Inzwischen suchen einige Unternehmen bereits vergeblich Nachwuchs."

Die Kammern versuchen, mit Förderungen und Hilfen die Gräben zwischen Auszubildenden und Unternehmen zu schmälern, oft in Zusammenarbeit mit der Politik. Über die Erstqualifikation etwa können schwer vermittelbare Jugendliche Praktika bei Unternehmen aufnehmen - häufig ist das die Eintrittskarte in die Firma. Dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist das zu wenig. "Wenn die Wirtschaft Bildungsdefizite bei Jugendlichen feststellt, dann ist es auch ihre Aufgabe, diese zu beheben", sagt die Berliner DGB-Vorsitzende Doro Zinke.

Die Zeit jedenfalls drängt, und die Entwicklung in der Region dürfte vom Rest des Landes beachtet werden: In Berlin ballen sich soziale Probleme, die die Ausgangsbedingungen für Jugendliche verschärfen. Und aus Brandenburg wandern so viele Menschen ab, dass Landstriche brach zu fallen drohen. PEZ

Branchen-Sorgenkind ist das Hotel- und Gaststättengewerbe. Mehr als die Hälfte der Lehrlinge dort gab an, länger als vorgesehen zu arbeiten. Eine angehende Köchin etwa erzählte, dass sie in ihrem Betrieb bis zu 70 Stunden die Woche und an sechs Tagen arbeiten müsse. Häufig werde sie spontan zur Arbeit gerufen, auch an freien Tagen. Sie verdiene 300 Euro netto, das ist weniger als Tarif; zugleich habe sie Arbeitsutensilien und Kleidung selbst kaufen müssen, was gesetzeswidrig sei, so die Azubi. Bei dem Betrieb soll es sich um ein renommiertes Sterne-Restaurant handeln. "Das ist nicht der Ausnahmefall, sondern gang und gäbe", erklärte Christin Richter von der DGB-Jugend.

Der Hotel- und Gaststättenverband sagte hingegen, er lege Wert auf Ausbildungsqualität und sei bemüht, noch mehr Angebote zu unterbreiten, um die Ausbildung in den Betrieben zu verbessern. Die Qualität der Ausbildung in den Betrieben könne der Verband nicht kontrollieren. Dafür sei die Industrie- und Handelskammer (IHK) zuständig. Die erklärte, sie kontrolliere sehr wohl; schwarze Schafe gebe es überall, die Regel seien solche Bedingungen aber nicht.

Die junge Frau will trotz der Schwierigkeiten ihre Ausbildung beenden, mit Rechtsbeistand von der Gewerkschaft. "Ich liebe den Beruf", sagte die Abiturientin. Sie bestätigte das Bild Zinkes einer hochmotivierten, flexiblen Jugend. Allein die Tatsache, dass viele junge Menschen monatelange unbezahlte Praktika nach der Schule absolvierten, beweise deren Einsatzwillen.

Unparteiische Zahlen in dem Bereich zu finden, ist schwer - jede Lobby schafft sich ihre eigene Statistik. Die Bundesagentur für Arbeit hat errechnet, dass im vergangenen Jahr 2.068 Jugendliche unversorgt waren. Der Gewerkschaftsbund geht von einer doppelt so hohen Zahl aus, weil sich viele junge Menschen in Praktika oder andere Maßnahmen flüchteten, wenn sie keine Lehrstelle erhalten. Insgesamt haben dem DGB zufolge 120.000 junge Menschen zwischen 20 und 29 Jahren in Berlin und Brandenburg keine berufliche Qualifikation. Dazu kämen 7.000 Jugendliche, die in den vergangenen Jahren keinen Platz gefunden hätten.

Wie ein Bäcker, ein Verpackungsmittelmechaniker und ein Elektroniker mit dem Azubi-Mangel umgehen, lesen Sie in der Berlin-Ausgabe gedruckten taz vom 18.8.2010. Die gibt es am Mittwoch an jedem gut sortierten Kiosk in und um Berlin.

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2 Kommentare

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  • FH
    Frauke Hauser

    Unternehmer klagen schon immer über die schlechte Ausbildungsfähigkeit Jugendlicher. Wer jedoch den Bildungsstand eines 16 jährigen aus den 50er Jahren mit heute vergleicht, stellt fest, wie sehr sich dieser verbessert hat.

     

    Weniger die Jugendlichen, als die Anforderungen der Unternehmen haben sich geändert. Heute werden sehr hohe Erwartungen an die soziale Kompetenz junger Menschen formuliert. Gleichzeitig kokettieren altgediehnte Manager in ihren Memoiren mit ihrer Aufmüpfigkeit in Jugendjahren. Auch die heutige Generation hat ein Recht darauf sich die Hörner abzustoßen, wie man es früher nannte.

     

    In der Klage der Unternehmern und der Kammern spiegelt sich offenbar bereits der demographische Wandel wider. Die alten Herren in IHK und HWK jammern nur. Stattdessen sollten sie anpacken und das kreative Potential und die Motivation der Jugendlichen entdecken, nutzen und entwickeln.

  • M
    Merci

    Eine quasifeudale Wirtschafts- und Betriebskultur, die ihre "Produktivität" mittlerweile aus dem trotzigen Pioniergeist ihrer Mitarbeiter bezieht, ist zum Scheitern verurteilt.