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DFB-Team vor dem AchtelfinaleBeten, bangen, kneten, kurieren

Vor dem Achtelfinale pflegen die Deutschen ihre Blessuren. Besonders die Verletzung Schweinsteigers lässt viele bangen. Und Löw macht England zum klaren Favoriten.

Der gefürchtete Griff an den Oberschenkel: Bastian Schweinsteiger. Bild: reuters

Arne Friedrich findet in diesen Tagen klare Worte zur Lage der deutschen Fußballnation. Es ist erfrischend, dem Innenverteidiger zuzuhören, denn er verstellt sich nicht. Er sagt einfach, was Sache ist. Und gegen Ghana habe man trotz des Sieges schlecht gespielt, "gehemmt, nervös, unsicher".

Gegen England am Sonntag in Bloemfontein werde so eine Leistung nicht reichen, prognostiziert der 31-Jährige, der im letzten Gruppenspiel eine wackelige Defensive zusammenhielt. "Wir sind absolut gewarnt. Wir dürfen nicht so viel zulassen wie gegen Ghana", sagt Friedrich. Er ist während dieser WM in die Rolle des eloquenten Mannschaftssprechers geschlüpft. Auf ihn ist Verlass, auf dem Platz und auf dem Podium. Keiner im Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ausgenommen Bundestrainer Joachim Löw, vermag es, die Dinge so auf den Punkt zu bringen.

Doch bevor Friedrich seine kleine Regierungserklärung zum letzten Spiel abgeben konnte, muss natürlich die Sache mit dem Oberschenkel geklärt werden. Bastian Schweinsteiger musste am Mittwochabend ausgewechselt werden, sein Griff an den Po ließ nichts Gutes ahnen, die dicke Bandage, die ihm Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt verpasste, auch nicht. Wie von offizieller Seite verkündet wurde, leidet der wichtigste deutsche Spieler an einer Verhärtung des Oberschenkels. Es war nicht ganz klar, ob es im großen Gesäßmuskel, im zweiköpfigen oder schlanken Schenkelmuskel zwackt, jedenfalls wird in der medizinischen Abteilung des DFB geknetet und kuriert, dass es eine Art hat.

Schweinsteiger will man bis Sonntag 16 Uhr unbedingt fit bekommen. Er wäre unersetzbar: Der 25-Jährige geht die weitesten Wege - etwa zwölf Kilometer im Spiel -, er wird am meisten angespielt und er ist der Akteur mit der höchsten Passgenauigkeit. Überdies pflegt er diverse Löcher in der Abwehr zu stopfen, die im Spiel gegen Ghana vor allem seine Kollegen Per Mertesacker und Jerome Boateng aufgerissen hatten. "Er wird gut gepflegt", lässt Co-Trainer Hansi Flick wissen. "Dennoch wird es kritisch für das nächste Spiel, der Doc sagt, die Zeit ist knapp, aber wir sind alle optimistisch, dass es klappt." Löw hatte direkt nach dem Spiel in Johannesburg gesagt: "Ich hoffe, dass er rechtzeitig rausgegangen ist mit seiner Muskelblessur." Sollte Schweinsteiger jedoch ausfallen, "dann wäre das nicht gerade von Vorteil".

In den kommenden Tagen wird die Öffentlichkeit mit Spannung das tägliche Bulletin aus Schweinis Krankenlager erwarten und Mutmaßungen anstellen über seine Einsatzfähigkeit im Achtelfinale gegen England. Derlei Gesundbetereien kennt man in der Nationalmannschaft sehr gut. Ex-Kapitän Michael Ballack war ja immer ein Fall für Muskelverhärtungen aller Art; eines seiner maladen Körperteile wurde einst sogar in den Rang einer "Wade der Nation" erhoben.

An der Wade hat es jetzt auch Jerome Boateng erwischt, aber das werde sich schon auswachsen, deutet Flick an. Und auch bei Mesut Özil, dem zweiten wichtigen Schlüsselspieler, ist es nicht so schlimm wie zuerst gedacht. Der Profi von Werder Bremen sei zwar umgeknickt, habe aber keine Schmerzen mehr.

Sie alle werden gegen England dringend gebraucht, denn nur eine Bündelung der Kräfte führe zum Erfolg, hieß es von Seiten des DFB. Die deutsche Auswahl sieht sich übrigens nicht in der Rolle des Favoriten, nein, sie bevorzugt den Part des Underdogs. Flick macht die Engländer in einer kühnen Ansage sogar zum Titelfavoriten. "Sie spielen sehr modern, mit der individuellen Stärke in der Offensive können sie jeden schlagen."

Friedrich bringt Wayne Rooney ins Spiel, vor dem man auf der Hut sein müsse. "Wenn man die einzelnen Spieler sieht, ist England im Vorteil", sagt er. Doch sosehr man die Engländer auch stark redet, es bleibt die Erkenntnis, dass die junge DFB-Elf ihre erste große Bewährungsprobe bestanden hat, zwar mit wackligen Knien und einer Portion Dusel, aber immerhin.

Das Positive sei jetzt, glaubt Arne Friedrich, "dass der Druck nicht mehr so groß ist, wir haben auf jeden Fall aus diesem Spiel gelernt". Hansi Flick hofft auf eine Reifung der Mannschaft. Viel Zeit dafür hat sie nicht.

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