DFB-Pokalfinale der Frauen: Duell zweier Fußballphilosophien

Vor dem DFB-Pokalfinale: Meistertrainer Bernd Schröder warnt vor einer Professionalisierung des Frauenfußballs und schimpft auf die Taktikdiktatur der Nationalmannschaft.

Bernd Schröder : "Die Höhner werden spielen, und alle freuen sich." Bild: dpa

POTSDAM taz | Gestern in aller Herrgottsfrüh um acht Uhr ließ Bernd Schröder, Trainer des deutschen Frauenfußballmeisters Turbine Potsdam, seine Spielerinnen antreten. Training am Potsdamer Luftschiffhafen. Am Abend zuvor hatte sein Team noch im Viertelfinale der Champions League gespielt und den französischen Klub Juvisy Esonne mit 6:2 besiegt. Morgen schon ist das nächste große Spiel angesetzt.

In Köln spielt Turbine gegen den 1. FFC Frankfurt um den DFB-Pokal (16.15 Uhr, ARD). Müssen die Spielerinnen sich nicht erst einmal ausruhen? "Unsere Regeneration sieht so aus, dass wir um acht Uhr Training machen", sagte Schröder, so als hätte er es nötig, seinen Ruf als Schinder ein wenig aufzupolieren. Laut redet er, schimpft vor sich hin, schaut grimmig. Vorfreude auf eines der größten Spiele des Jahres für seinen Klub ist ihm nicht anzusehen.

Etlichen seiner Spielerinnen geht es da anders. Anja Mittag und Kapitänin Jennifer Zietz finden es toll, dass die Frauen mittlerweile einen eigenen Finaltermin haben, dass ihr Pokalfinale nicht mehr nur das schlecht besuchte Vorspiel des großen Männerendspiels ist. Bernd Schröder rudert mit seinen großen Armen und winkt ab. "Die Höhner werden spielen, und alle freuen sich, aber für das Spiel interessieren sie sich doch nicht." Und dann erklärt er, dass der Frauenfußball nicht größer gemacht werden darf, als er ist. In dieser Hinsicht graust es ihm regelrecht vor der Weltmeisterschaft in Deutschland.

Vor zwei Wochen, als Turbine am letzten Bundesliga-Spieltag die Meisterschaft sicherstellte, waren 7.000 Zuschauer im Stadion. Für Schröder eine ehrliche Zahl. "Die Leute haben bewusst entschieden, sich genau dieses Spiel anzuschauen." Frauenfußball ist für ihn keine große Sache und: Es soll auch keine werden. Dass ein paar seiner Spielerinnen jetzt Manager haben, findet er "schlimm". 16-Jährige stellen sich mit Berater bei ihm vor. Nein, das ist nicht mehr sein Sport, den er eher mit Volleyball oder Hockey vergleicht. Von Profitum hält er nicht viel.

Duell zweier Fußballphilosophien

In diesem Sinne ist das Spiel gegen Vizemeister Frankfurt für ihn ein Duell zweier Fußballphilosophien. Der "familiär geführte Klub" (Schröder) aus Potsdam, der von einer Vielzahl kleinerer Sponsoren getragen wird, trifft auf einen Verein aus der "hochkapitalistischen Finanzmetropole" (Schröder), der von der Commerzbank gesponsert wird. Auch in taktischer Hinsicht ist es ein Duell der Philosophien. Frankfurt spielt wie inzwischen ganz Fußballdeutschland mit Viererkette und Fünfermittelfeld. Schröders Dreierabwehr wird da oft belächelt. Doch er ist sich sicher, damit das System der Zukunft zu spielen. Viel variabler sei sein Ansatz, zu stürmerfreundlich die Viererkette. "Es ist doch viel zu leicht, da durchzustechen", sagt Schröder, der seit 40 Jahren bei Turbine Trainer ist. Er weiß, dass er damit eine Außenseiterrolle einnimmt. Und in der scheint er sich pudelwohl zu fühlen. Gern und viel redet er darüber, dass er anders ist als andere.

Auch weil Schröders System mit drei Verteidigern und drei Stürmern nicht dem herrschenden Fußballgeschmack in Deutschland entspricht, da ist sich Schröder sicher, wird Jennifer Zietz, seine Kapitänin, im Sommer nicht dabei sein, wenn die Nationalmannschaft das Projekt Titelverteidigung angeht. Da würden die Mannschaften bevorzugt, die im DFB-System spielen. Im vorläufigen Aufgebot von Bundestrainerin Silvia Neid für die WM stehen jeweils sieben Spielerinnen aus Frankfurt und vom FCR Duisburg. Auf Duisburg trifft Turbine im Halbfinale der Champions League. Aus Potsdam wurden lediglich fünf Spielerinnen berufen. Schröder merkt zynisch an: "Ist ja klar, dass der deutsche Meister das geringste Kontingent stellt."

"Urlaub. Einfach nur wegfahren"

Jennifer Zietz, 27, die schon 15-mal für die Auswahl aufgelaufen ist, hatte fest mit einer Berufung gerechnet. Sie ist maßlos enttäuscht. "Darauf habe ich doch hingearbeitet", sagte sie. Die WM wird ohne sie stattfinden. Und was macht die Mittelfeldspielerin in dieser Zeit? "Urlaub. Einfach nur wegfahren." Ihr Trainer kann da nur den Kopf schütteln. Für ihn sind die "Weiber", die das DFB-Trainerinnenteam bilden, sowieso nicht kompetent. Warum sie Viola Odebrecht, die eine herausragende Saison gespielt hat, nicht ins WM-Team nehmen, kann er nicht nachvollziehen. Die hat im Spiel gegen Esonne am Donnerstag beinahe jeden Zweikampf gewonnen und wird am Samstag für die Frankfurterinnen sicher eine unangenehme Gegnerin im defensiven Mittelfeld sein.

Für das Pokal-Finale hat Schröder einen Wunsch. Gewinnen will er nicht unbedingt. Auch an die Frankfurterinnen, die mit einem Sieg beweisen wollen, dass eigentlich sie das beste Team in Deutschland sind, richtet er den Appell: "Lasst uns einfach Fußball spielen." Den Höhner-Fans im Stadion soll schöner Sport geboten werden. Vielleicht interessieren sie sich dann ja doch ein bisschen für Frauenfußball.

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