DFB-Leitfaden für homosexuelle Sportler: Dann kommt mal raus!
Der DFB veröffentlicht einen Leitfaden für den Umgang mit homosexuellen Sportlern. In einer „Berliner Erklärung“ wird Respekt und Akzeptanz gefordert.
BERLIN taz | Sie sind eigentlich nur ein kleiner Schritt für einen homosexuellen Sportler, die drei Worte zum öffentlichen Bekenntnis. Und doch können sie das Leben schwer aus der Bahn werfen, vor allem bei Angestellten im weltweiten Fußballzirkus. Ein Outing während der aktiven Karriere würde ein riesiges Medienecho auslösen. Bei Auswärtsspielen könnten dem Spieler Spott und Häme der Gästefans entgegenschlagen. Einer, der daran zugrunde gegangen ist, ist Justin Fashanu. Der englische Fußballprofi nahm sich einige Jahre nach seinem Coming-out im Jahr 1990 das Leben.
Doch die Welt hat sich weitergedreht. Auch wenn auf den Rängen immer noch Schiris und gegnerische Spieler als schwul beschimpft werden, schwingen auch immer mehr homosexuelle Fangruppen in den Kurven ihre Fahne. Und auch der Deutsche Fußball-Bund, der das Thema jahrelang totschwieg, zeigt inzwischen öffentlich Flagge.
Um es den Spielern leichter zu machen, sich zu offenbaren, hat er am Dienstag eine Broschüre zum Thema „Fußball und Homosexualität“ aufgelegt. In dem 27-seitigen Heftchen, das auf der Homepage des Verbandes zum Download bereitsteht, gibt er den Vereinen Tipps, wie sie mit schwulen oder lesbischen Sportlern umgehen sollen. Als Aufforderung zum Coming-out soll sie allerdings nicht verstanden werden.
Da nicht klar war, wie groß die Ignoranz ist, entschieden sich die Macher dafür, möglichst wenig Wissen vorauszusetzen. „Wir gehen davon aus, dass es bei den Vereinen Menschen gibt, bei denen man bei null anfangen muss“, sagte die Kulturanthropologin Tatjana Eggeling, die an der Broschüre maßgeblich beteiligt war. Einen Masterplan für das perfekte Coming-out gibt es darin nicht zu finden. Am wichtigsten sei erst einmal ein offenes Gespräch „in einer angenehmen Atmosphäre“.
Desinteressierte Funktionäre
Doch das Engagement des DFB geht ein Stückchen weiter. Auf Initiative der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die seit ihrer Gründung im Jahr 2011 gegen die Diskriminierung von Homosexuellen anarbeitet, setzte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach seine Unterschrift unter die „Berliner Erklärung“, in der Homophobie angeprangert und für mehr Vielfalt, Respekt und Akzeptanz im Sport geworben wird. Auch Bundesminister wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Hans-Peter Friedrich (CSU) gehörten zu den Erstunterzeichnern der Erklärung, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt worden ist.
Angestoßen wurde die Aktion noch unter DFB-Alt-Präsident Theo Zwanziger, für den das Thema eine wirkliche Herzensangelegenheit war. Doch auf der Veranstaltung in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom wurde klar, dass das Thema „Homosexualität“ bei den deutschen Sportfunktionären immer noch eine Nebenrolle spielt.
Statt die Erklärung selbst vorzustellen, flog die DFB-Delegation um Wolfgang Niersbach auf Einladung von Franz Beckenbauer lieber zu einer Konferenz samt Golfturnier in Kitzbühel – um Fifa-Chef Sepp Blatter die Hand zu schütteln und mit ihm und deutschen Fußball-Granden wie Günther Netzer und Oliver Bierhoff darüber zu sprechen, wie man eine erfolgreiche WM plant. Auch der Anteil des DFB-Präsidenten an der DFB-Broschüre hielt sich in Grenzen. Statt ein eigenes Editorial beizusteuern, wurde nur ein altes Zitat von dem mächtigsten deutschen Fußballfunktionär abgedruckt.
„Ich hätte ihn gerne hier gehabt“, sagte Marcus Urban, ehemaliger Fußballprofi, der erst nach seinem Karriereende zu seiner Homosexualität stehen konnte und inzwischen für die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld arbeitet. „Das wäre ein schönes Statement gewesen“, fügte er hinzu. Er sei aber auch schon zufrieden, dass der DFB die „Berliner Erklärung“ überhaupt unterschrieben habe.
Desinteressierter Ligaverband
Gar nicht beteiligt hat sich der Ligaverband DFL an der Kampagne. Weder findet sich auf der Erklärung die Unterschrift eines DFL-Repräsentanten noch stellte sich einer für ein Statement zur Verfügung. Auch bei den Bundesligavereinen fiel die Resonanz auf die Initiative mehr als mäßig aus. Auf der Liste der Erstunterzeichner finden sich mit Uli Hoeneß (FC Bayern), Klaus-Dieter Fischer (Werder Bremen), Martin Kind (Hannover 96) nur drei Präsidenten eines Erstligisten.
Die Runde komplettieren weniger prominente Namen wie Ralf Auer, Präsident des VfR Mannheim, und Dirk Zingler, Präsident des Zweitligisten Union Berlin. Es scheint so, als müsse sich die Welt noch ein gutes Stück weiterdrehen, bis die gesellschaftliche Realität die archaische Welt des Fußballs endlich erreicht hat.
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