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DER WIRTSCHAFTSMINISTER ZWISCHEN EINER- UND ANDERERSEITSDen Kanzler im Nacken

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hält nichts vom bloßen Reagieren auf die Tagespolitik, wie es seine Vorgänger gerne taten. Wer Müller für einen technokratischen, entpolitisierten Macher hält, soll in seinem Wirtschaftbericht eines Besseren belehrt werden: Der Wirtschaftsminister hat sich um den ordnungspolitischen Rahmen einer Wirtschaft zu kümmern. Eine gute Idee: Endlich mal wieder eine ökonomische Grundsatzdebatte.

Schön wär’s – doch Müller beantwortet die wichtigsten Fragen mit Jein. Soll der Staat möglichst wenig in die Wirtschaft eingreifen? Einerseits ja: Müller wettert gegen die „ebenso unbezahlbare wie lähmende“ Staatsbürokratie“. Er möchte einen schlanken Staat, wenig Eingriffe von oben, viel private Selbstverpflichtung. Andererseits nein: Er fordert gleichzeitig eine „Rückbesinnung auf die wohlverstandene Marktwirtschaft“. Das ist SPD-Rhetorik, die Müller dem Kanzler schuldet. Denn die beiden Ziele miteinander zu vereinbaren ist ein Kunststück, das noch niemandem geglückt ist, und das weiß auch Müller. Gewöhnlich enden solche Vorsätze in einem Abbau staatlicher Leistungen, in Kürzungen öffentlicher Gelder.

Soll der Staat neue Schulden aufnehmen, um die Konjunktur zu beleben? Einerseits nein: Schulden sind eine Verlagerung unserer Probleme auf unsere Kinder und damit ungerecht. Da klingt Müller schon ganz wie sein Ressortrivale, Finanzminister Hans Eichel. Andererseits hat auch Müller kein Konzept, wie die Mehrkosten der höheren Arbeitslosigkeit finanziert werden sollen. Und ergreift die Flucht nach vorne: Mit der Konjunktur gehe es ohnehin bald wieder aufwärts.

Das Herumgedruckse hat einen Grund: Wir befinden uns kurz vor dem Wahlkampf. Müller hat den SPD-Kanzler im Nacken. Der lässt Aussagen seines parteilosen Wirtschaftsministers auch gerne mal als Testballon steigen, um herauszufinden, wie es in der Bevölkerung um die Reformwilligkeit steht. Prescht Müller zu weit vor, kann der Kanzler ihm über den Mund fahren und Schaden von seiner Partei abhalten – von Grundsatzdebatte weit und breit nichts zu sehen. KATHARINA KOUFEN

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