piwik no script img

DER SPD-GENERALSEKRETÄR IRRT: INSTRUMENTE SIND SO WICHTIG WIE ZIELENur die Vision soll zählen

Kann es falsche Debatten geben? SPD-Generalsekretär Franz Müntefering war gestern dieser Meinung. Er ist dagegen, dass weiterhin über „Instrumente“ diskutiert wird. Er will sich stattdessen über „Ziele“ verständigen. Gemeint ist damit vor allem die Auseinandersetzung über die Arbeitsmarktpolitik, die auch innerhalb der SPD tobt sowie zwischen den Sozialdemokraten und den Gewerkschaften. Einige der umkämpften „Instrumente“: Wie soll die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe aussehen? Gibt es eine Zukunft für die ABM-Maßnahmen? Ist ein Niedriglohnsektor sinnvoll? Soll das Arbeitslosengeld für Ältere sinken oder die Bezugszeit verkürzt werden?

Diese Debatten sind also angeblich überflüssig. Es gelten nur noch Ziele. Aber welche könnten das sein? Müntefering hat gestern eines genannt: die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Das ist ein gutes Ziel. Es ist sogar so gut, dass jede Partei dieses Anliegen teilt. Von der PDS bis zur CDU sind sich alle einig, dass es Arbeitslosigkeit zu bekämpfen gilt. Dieses Phänomen lässt sich generalisieren: Es sind fast nie die Ziele, die die Parteien unterscheiden. Sie alle streben Wohlstand, Frieden oder Umweltschutz an. Als Vision. Und so kommt es dazu, dass der neue Slogan der SPD „Frieden und soziale Gerechtigkeit“ genauso gut von der PDS stammen könnte. Und bekanntlich tummeln sich mindestens vier deutsche Parteien „in der Mitte“.

Die Übereinstimmung in den Zielen zeigt sich auch daran, wo es zu den wenigen Differenzen kommt: in den Randbereichen. So wird etwa die Gleichstellung der Homosexuellen nicht von jeder Partei gewollt. Konsequenz: Dieser begrenzte Konflikt wird allseits hochsymbolisch aufgeladen, um überhaupt noch Unterschiede zu markieren. Pech, dass am nächsten Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Homoehe entscheidet. Wie immer das Urteil ausfällt: Ab da gibt es verordneterweise einen Zielkonflikt weniger, der sich billig ausbeuten lässt.

Sollte sich Müntefering mit seiner Idee durchsetzen, nur noch Ziele zu benennen, dann braucht man das Parteiprogramm nicht zu lesen, das die SPD Anfang Juni beschließen will. Dann könnte man genauso gut gleich das Grundgesetz konsultieren – oder aber die Konkurrenzprodukte von CDU bis PDS. Die Wähler wollen über den Weg aufgeklärt werden, nicht nur über den Endpunkt. Das scheint Kanzler Schröder zumindest partiell auch so zu sehen. So hat er sich beispielsweise schon zur Fortsetzung von ABM-Maßnahmen im Osten bekannt – und damit genau die „Instrumentendiskussion“ geführt, die sein Generalsekretär so gar nicht schätzt. ULRIKE HERRMANN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen