DER KATASTROPHENSCHUTZ IN POLEN WURDE ERFOLGREICH REFORMIERT: Handeln statt hadern
In Polen ist der Höhepunkt der Flut erreicht. Ein erster größerer Damm ist gebrochen und ein Dorf überschwemmt. Bis zu 30 Menschen sind bisher umgekommen. Ist also nichts geschehen seit dem verheerenden Sommerhochwasser von 1997?
Damals hatte sich das polnische Versagen vor allem im Vergleich zur Slowakei gezeigt, die ebenfalls von der Flut betroffen war. Katastrophenschutz, Behörden und Militär reagierten in Polen viel zu spät und falsch, erwiesen sich als überfordert und verbargen dies tagelang hinter eitler Arroganz. In der Westslowakei hingegen liefen die Schutzmaßnahmen entlang der Morava und in den Dörfern wie am Schnürchen, nur wenige Opfer waren zu beklagen, und auch der Sachschaden hielt sich in Grenzen. Der Grund: Die Slowakei unter der autoritären Regierung von Wladimir Meciar war zu diesem Zeitpunkt noch kaum reformiert, Logistik und Material stammten noch aus der Vorwendezeit, eine alte zivilmilitärische Kommandomaschinerie des Kalten Kriegs lief an, tat ihr Bestes – und das reichte.
Polen jedoch befand sich mitten im Prozess der Modernisierung. Verwaltungsreformen, geänderte Zuständigkeiten und die Neubeschaffung von Material hatten zu einem riesigen Wirrwarr geführt: Die alten Befehlsketten stellten sich als unterbrochen heraus, der Informationsaustausch scheiterte an unterschiedlichen Systemen, und das Schweigen der schlecht informierten übergeordneten Stellen diente als willkommener Grund für die eigene Untätigkeit. So lassen sich die 50 bis 100 Toten von 1997 durchaus als Modernisierungsopfer beschreiben.
Die Flut von 2001 belegt, wie weit die Reformen in Polen vorangekommen sind. Nicht nur, dass sich bereits einige kurzfristige Wasserbauprojekte wie die Erhöhung der Weichseldeiche als segensreich herausgestellt haben. Vor allem klappt die Organisation des Katastrophenschutzes viel besser als vor vier Jahren, Logistik und Kommunikation funktionieren flächendeckend, Material steht bereit, und die Evakuierungspläne sind trotz mancher Kritik im Prinzip brauchbar. Die Verantwortlichen wissen jetzt um die neuen Zwänge und die neuen Spielräume. So findet der Umbau der politischen und sozialen Strukturen Polens, weg vom autoritären Zentralstaat, hin zur Regionalisierung und Eigenverantwortlichkeit, seine Entsprechung im Hochwasserschutz. Trotz aller Erfolge fehlt dem polnischen Deichsystem, um Durchbrüche zu vermeiden, noch mancher Flusskilometer Tiefensanierung. Und dies gilt auch für Staat und Wirtschaft im Ganzen. DIETMAR BARTZ
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