: DER INNERE DINO BRICHT AUS
■ H.R. Gigers intrauterine Technologievisionen bei Petersen
DER INNERE DINO BRICHT AUS
H.R. Gigers intrauterine Technologievisionen bei Petersen
„Transformer“ sind als Kampfmaschinen konstruierte Riesensaurier und Flugechsen, deren zerebrale Steuerzentralen mit hochmodernster Hardware bestückt sind. Diese biomechanischen Ungeheuer überbrücken mit ihrem Einsatz ältestes, noch ins menschliche Gedächtnis lappendes Erdmittelalter-Verhalten und nächste technologische Zukunftsvisionen. Meist bevölkern sie die Planeten unserer bzw. fremder Galaxien in amerikanischen Science-Fiction -Filmen, in denen sie seit 1964 mit Röntgenlaser-Waffen in Schach gehalten werden (die real erst 1984 im „National Laboratory“, Livermore, vom SDI-Forscher Hagelstein erfunden wurden).
Als Plastikspielzeug (designed von „New Era Communications Ltd.“) lassen sich die computerisierten Urechsen mit wenigen Handgriffen zu schweren Transportfahrzeugen und Arbeitsrobotern umrüsten (deswegen ihr Gattungsname „Transformer“). Ihr Artenreichtum in der einen und anderen Form entspricht genau dem ihrer Fantasy-Film-Vorbilder, deren Copyright sie zu detailgenauer Nachahmung zwingt. Neben dem bloßen Nachspielen filmischer Handlungsabläufe (aus „Starwars“ I. und II. z.B.) kann man mit den Transformern auch noch eine Art High-Tech-„Brunnen-Schere -Stein-Knucksen“ spielen, wobei die Waffenüberlegenheit sich jeweils nach den Möglichkeiten der günstigsten Umwandlungsform (zwischen den Polen reine Saurieraggressivität und Nuklearenergiewaffe) richtet. Außerdem ist es in den Kampfpausen der Kinderzimmerkriege möglich, das ins Mechanische transsubstantiierte Gerät eher wieder zu reparieren als das an Lebendiges erinnernde. Die meisten Kinder (eine Schultaschenfirma nennt sie die „Scout -Generation“) halten sich dabei an die Spielregeln. Die gelten für die Wirklichkeit allerdings nicht mehr. Hier wird auch dem Biologischen permanent mechanisch wieder auf die Sprünge geholfen. Bei den Humanoiden zwar noch nicht durch Eingriff in die Erbsubstanz oder durch Einbau von Bio-Chips, aber dafür mittels Verbesserung und Ausweitung der Prothetik (das Spektrum reicht von Lidschlag-Sensor und Kunstherz über Silicon-Brüste und Hart-PVC-gestützte bzw. aufblasbare Penisse bis zu immunschwächebremsende Präservative).
In einer ökologischen Perspektive, die noch ganz andere Bio -Systeme als organismisch begreift, würden auch Katalysatoren, Filter-, Kläranlagen und „Betreten Verboten„ -Schilder noch zur Prothetik gehören. Die im Dienste oder für die „Gesellschaft“ (i.O. deutsch) entstandenen Schäden werden gsellschaftlich, d.h. technisch-wissenschaftlich, behoben: die permanente Krückenbildung. Man ahnt, daß die „Transformer“ bereits mitten unter uns leben. Der Dinosaurier mit High-Tech-Cockpit (oder der „Scout Walker“ aus „Return of the Jedi“) ist nur eine nette Versinnbildlichung der naiven Theorien unserer Gehirnforscher, Genetiker und Computer-Ingenieure (inklusive Raketenbauer) - die künstlerische Dünnsäureverklappung der großen naturwissenschaftlich-technischen Trusts, wenn man so will.
Ähnliches hat man auch über die Bilder H.R. Gigers gesagt, der (sich) seit 20 Jahren die erotischen Phantasmen der Biomechanik ausmalt, genauer gesagt: mit Airbrush postert. Verschiedene Berliner Künstler haben es deswegen dem Avantgarde-Galeristen Petersen auch übel genommen, daß er jetzt eine Giger-Ausstellung eröffnete - auch noch mit satanistischen Raumschiffdesign-Möbeln (für 150.000 Mark) ausgestattet, bis hin zur silbernen Gürtelschnalle in der Vitrine für den Oberpriester luciferischer Ritualmorde. Diese Ausstellungstat dankten dem Galeristen dafür die hiesigen Grufties, die mit eigenen Plakaten in ihren Kneipen für die Giger-Show Reklame machten. Auch unter den Satanisten der Stadt sprach sich die blasphemische Großbildnerei in der Goethestraße bald herum. Petersen ertrug all diese Schmähungen und Aufmerksamkeiten gelassen. Nur als auch noch ganze Schulklassen sich in der Galerie ansagten, wurde es ihm zu viel.
Die Kids kennen Giger vor allem als Ausstatter des Films „Alien“, wofür der 48jährige Schweizer 1981 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Die US-Zeitschrift 'Cinefantastique‘ schreibt, daß seit Gigers Science-Fiction-Film „nichts mehr so ist wie vorher“, auf alle Fälle habe sein „biomechanoid look“ Schule gemacht - die Autoren zählen allein zwölf neuere US-Filme auf, in denen mehr oder weniger unverschämt Giger-Ideen kopiert wurden: „Hollywoods Great Giger-Rip -Off“.
Und „Sliming Technology“ nennen die amerikanischen Giger -Fans das, was „Alien“ zu einem „turning point in the look of science fiction“ gemacht hat: eine meist lurch- oder wurmförmige Biomasse, die sich mit humanoiden Mutanten, Maschinen, Waffen und Möbeln organismisch verbunden hat. Ventile und Aggregate, die mit Nervensträngen der Wirbelsäule und Blutgefäßen verlötet und verschweißt sind. Immer wieder tauchen dazwischen Pin-Up-Model-Körper auf - in Priesterinnen-Funktionen (bisweilen ähneln ihre Gesichter Gigers Freundin Li Tobler, die 1975 Selbstmord beging, sie ähnelte wiederum der Sängerin Debbie Harry, über die Giger 1982 einen Dokumentarfilm drehte). Trotz - oder wegen? ihrer gelegentlichen biomechanischen Eleganz die Menschen, vor allem Hunde und Männer auf Gigers Bilder sind von atomaren Katastrophen deformiert, zusammen mit Monstern in unterirdische Totenreiche abgetrieben, die Frauen auf Paarung, Penetration reduziert. Timothy Leary meint: „Gigers work disturbs us, spooks us, because of its enormous evolutionary time-span. It shows us, all too clearly, where we come from and where we are going.“ George Lucas sagt, daß vor allem die Japaner ganz wild auf Gigers „Images“ seien, die so ganz anders als der japanische Lieblingssaurier „Godzila“ Horrorschauer auslösen. Für den Regisseur William Malone, der gerade aus Gigers „Necronomicon„-Panorama einen Sechs-Millionen-Dollar-Film - „The Mirror“ - macht, ist es „like Alice through the Looking Glass meets H.P. Lovecraft“. Mir scheint, mit seiner polymorphen Schleim-Technologie ist Giger eine (von den Amis „surrealistisch“ genannte) „Fusion“ gelungen, d.h. eine Synthese aus Horror und Porno. „Alien war vor allem von 'The Texas Chainsaw Massacre‘ beeinflußt,“ sagt Giger in einem Interview, und seine vielfach oral und genital penetrierten Körper-Details nennt er „Erotomechanics“ (als „Intrauterine Technologie fürs Jahr 2000“ bezeichnet sie H.A. Glaser, und sie ist seiner Meinung nach „mörderisch“). Gigers Porno spielt auf „der Intensivstation des Berner Inselspitals und auf einer NASA -Weltraumstation“.
Wenn man sich noch an die zukunftsoptimistischen bunten Werbefilme der großen Pharmazie-, Chemie- und Elektrokonzerne aus den sechziger Jahren erinnern kann (alles wird vollautomatisiert und -klimatisiert sein, statt Fußwege gibt es nur noch 'Via Mobiles‘, unsere Füße und Beine bilden sich zurück... usw.), dann wird man vielleicht zustimmen: Gigers schwarz-weiße Aerographien sind pessimistische, postkatastrophische Werbefilme - für eine pubertierende 'Scout-Generation‘. Insofern ist es schade, daß Petersen gerade die Schüler nicht in der Ausstellung haben wollte. Helmut Höge
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