DER HEILIGE VATER IST HUMORFREI, ABER NICHT EMOTIONSARM : Keine Schenkelklopfer
PHILIPP GESSLER
Okay, jetzt mal was für uns alten Lateiner: Der mittelalterliche Philosoph und Theologe Anselm von Canterbury (1033–1109) hat geschrieben: „Fides quaerens intellectum“. Übersetzt heißt das: „Der Glaube sucht die Vernunft.“ Das bedeutet einerseits, dass ein Glaube, der nur Herz ist und den Kopf nicht mehr nutzt, fehlgeht. Wo der Glaube andererseits kein Herz, kein Gefühl zeigt, zündet er nicht. Und das war beim Papst bei dieser nun zu Ende gegangenen Reise nach Deutschland zu beobachten.
Man musste nicht im Papstflieger sitzen, um zu erleben, wann der Papst gut ankam und wann nicht: Immer dann, wenn er neben seinem theologisch beachtlichen Wissen auch etwas Gefühl zeigte. Das war etwa bei dem Abendgebet, der Vigil, des Papstes am Samstagabend auf dem Messegelände nahe Freiburg zu beobachten. Da war der deutsche Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte tatsächlich mal der Pontifex Maximus, der oberste Brückenbauer: Seine Sprache klar und schlicht, seine Botschaft hoffnungsfroh und herzlich. Man rieb sich da im VAMP-Tross, der journalistischen Entourage des Vatikans für diese Reise, verwundert die Augen: Er kann es ja.
Was Benedikt XVI. dagegen nicht kann, ist eindeutig: witzig sein. In vier Tagen nur ein kleines Witzchen im Bundestag, dass er ja wohl den Grünen nicht so nahestehe – das war so ungefähr der einzige Ausbruch an Humor. Und seien wir ehrlich: Ein richtiger Schenkelklopfer ist das auch nicht. Singen kann der 84-jährige Mann aus Rom ebenfalls nicht (mehr). Mit Letzterem kann man leben, aber der offenbar so gering entwickelte Humor? Sind wir einfach zu doof, um seinen Humor zu verstehen? Oder zeigt der Papst seinen Witz nur im privaten Raum vor seinem Privatsekretär Georg Gänswein?
Wir wissen es nicht, auch als VAMP war das nicht zu recherchieren. Am Ende ist Benedikt XVI. wohl eher ein Mann der kleinen Runde, was etwas tragisch oder absurd ist für eine Person, die so stark im Brennglas der Öffentlichkeit steht wie kein anderer Mensch auf Erden. Beim im Vorfeld geheim gehaltenen und nicht öffentlichen Treffen des Papstes mit Missbrauchsopfern „wurde auch geweint, natürlich“, sagte der Sekretär der deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, nach dem Treffen. Der Papst hat offenbar nicht geweint. Aber er hat Gefühl gezeigt. Nur so geht es.