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DER FILM IST RUND

■ Dänische Filmfrische - nicht nur für Fußballfans!

DER FILM IST RUND

Dänische Filmfrische - nicht nur für Fußballfans!

Das unselige Gegurke der dänischen EM-Kicker hat sich bereits vorzeitig ausgegurkt, und keiner ist traurig drum: Dem dänischen Fußball fehlt es an Nachwuchsmumm in den Waden, ganz im Gegensatz zur dortigen unabhängigen Filmszene, die durch spezielle Trainingscamps, „Filmvaerksted“, gefördert und entwickelt wird. Die Lust am Experiment und der offensive Blick nach vorn prägen das dänische Filmgeschehen, in erster Linie auf Videoarbeiten konzentriert. Allen vorweg dribbelt Niels Lomholt mit sicherem Auge und Ohr für Bilder und Geräusche, technisch versiert in der Umsetzung seiner Ideen. Sein Film „Det Illustrerede“ ist ein optisch brillante Ballstafette, erfolgsgekrönt von einem Abschluß direkt zwischen die Augen.

Die Körpertäuschung des tätowierten Männerarmes, ein Hammer haltend, ist perfekt getimed vor dem Hintergrund einer Glasfassade, aber das Klirren der Fensterscheiben, zwingend erwartet, findet nur im eigenen Kopf statt.

Von Lomholt werden gleich mehrere Videos in zwei Programmblöcken gezeigt, die unterteilt sind in „Erotik“ und „Experimental“. Wie jeder agile Regisseur produziert er zuweilen auch langatmige Querpässe, die zudem noch bedeutungsschwer im Abseits landen, aber das registriert man eher beruhigt denn angenervt. Richtig spannend hingelangt hat Lomholt noch mal mit dem erotisch-rätselhaften Bilderspiel „Günter K. Sagen“ - wen die mysteriöse Frauenleiche am Schluß etwas an Lars von Triers „Element of Crime“ erinnert, der liegt völlig richtig, denn Tom Elling, von Triers Kameramann, hat an diesem Video mitgearbeitet. Die Fetische des Begehrens sind austauschbar und überall zu finden, also sind sie überall zu suchen. Geht der Blick ins Klo leer aus, läßt sich sicher eine Blutspur im Waschbecken entdecken; die Odysseen durch die Nacht pulsieren gleichermaßen im Rhythmus der Sehnsucht und der Angst.

Von Tom Elling selbst gibt es „Perfect World“ zu sehen: Traumbilder und Wirklichkeitsfetzen, der Schein der Gegensätze aufgelöst in Zelluloid. Die schlafwandelnde Kamera als Seismograph der psychischen Katastrophe einer „perfekten Welt“, verführt in eine Atmosphäre des Zerfalls, die bei Elling nicht zur Gruftie-Postkarte erstarrt. Irritationen löst er durch Licht und Wasser aus: Das Spiegelbild in einer Wasserlache ist immer in Bewegung, und sei es noch so unmerklich. Elling wirft einen Stein ins Wasser, und der Stein zieht immer weitere Kreise, die werden zu Strudeln in einem Aquarium, in dem wir selber sitzen und stumm nach draußen glotzen.

Ane Mette Ruge kreist hingegen in ihrem Film „Cast“ um Gesichter, sie friert Gesichter in Gläsern und Eiskristallen ein, zerrt sie durch gewölbte Spiegel und bricht sie aus Schlammkrusten und Lavagestein. In Plastikplanen und Bandagen geschnürt, mit gefesselten Händen und verbundenen Augen: Der masochistische Körper wird in „Low Light“ von Ask Larsen auf die Folter gespannt, und Giftgrüngelee quillt aus allen Löchern - Otto Mühl auf Videoästhetik getrimmt, Vortäuschung ist alles. Etwas entspannter, aber dennoch spannend werden die erogenen Zonenrandgebiete in den Filmen von Pablo Llambias und Vibeke Vogel abgetastet, erotische Blicke auf dem Spielfeld unbegrenzter Möglichkeiten.

Der Ball ist nicht viereckig, also rundet daher am Freitag eine dänische Filmparty mit Satirestreifen und Musikvideos das Programm ab. Die Videoclips sind genau richtig, um sich ungeniert dem massiven Genuß von Tuborg und Gammel-Dansk (ein Kräuterlikör) hinzugeben; die ersten 50 Partygäste kriegen gratis eine Single der Dänen-Combo „Spastic Modo“ obendrauf, und wer lustig ist, kann sich von Niels Lomholt und Kassandra Wellendorf Autogramme geben lassen, die beide das Filmprogramm vorstellen.Andreas Döhler

Kino-Eiszeit: Do, 21 Uhr: Erotikprogramm, 23 Uhr: Experimentalprogramm; Fr, ab 23 Uhr: Filmparty.

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