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DER EWIGE KAUGUMMI

■ Jonathan Richman (ohne Modern Lovers) im Loft

Was kann es Harmloseres geben als Jonathan Richman, dieses kleine, grinsende, affenartige Männchen, ununterbrochen das eigene Gesicht zerknautschend, die selbst gedichteten, eh schon schlichten Texte kommentierend mit eingebautem deutschem Kauderwelsch und echt amerikanisch breitem Grinsen. Einer von diesen Jungs, die sich immer mit Brei bekleckerten, weil sie noch nie still sitzen konnten. „Know what I mean?“ (Breit, mit Kaugummi)

Der junggebliebene (so nennt man das bei Peter Alexander), kleine Jonathan, ganz allein auf der großen Bühne, nur er, seine Akustische und seine bescheidene Technik. Aber daß keiner denkt, der Mann wäre schüchtern, nein, der weiß wovon er redet, von seiner Frau, die nie die richtigen Klamotten zum Anziehen findet, von van Gogh, der immer die richtigen Farben fand, vom Tanzen mitten zwischen Kakteen und Fressen von Avocadosalat, was dann Kalifornische Wüstenparty heißt. In jedem zweiten Song spielen Jeans und T-Shirts die Hauptrolle, und ich frage mich die ganze Zeit, woher ich diese Geschichten kenne, und dann kommt es mir. „American Graffiti“ muß es sein. Mit dem rosa Chevi von Pappi die Mainstreet immer rauf und runter und wenn das anbaggern endlich geklappt hat, wird einem die Karre im Wald geklaut, weil man zu tief in die Büsche gegangen ist.

Nicht nur deswegen bricht mir der Schweiß in Strömen... „I love those hot nights/ When the T-Shirt feels right“ T -Shirt? Viel zu warm, man kann nur hoffen, daß der penetrant ätzende Schweißgeruch vom Vordermann und nicht von einem selber kommt, schließlich will man noch auf eine Fete.

Schwankenderweise auf dem Gepäckträger die Yorckstraße runter, angekommen sind wir dann doch in der Schultheiss -Brauerei. Jede Menge HdK-Studenten mit der Nase fast am eigenen Nacken, Fraß und Suff satt und umsonst, und diese unsägliche Latin-Funk-Jazz-Fusion-Kapelle ist allein schon ein Grund, die Theke nicht mehr zu verlassen. Als sie „Fever“ verhackstücken, weiß ich, was ich an Jonathan hatte. Jeder kann sich mal täuschen, ich nehme alles zurück.

Was dann noch passiert ist? Haben wir nicht noch „Give Paris one more chance“ grölend Mercedessterne geklaut ...? Ich dachte ja eigentlich, aus dem Alter bin ich raus, ich glaub‘ ich muß mich täuschen, nein das kann nicht sein ... Was so ein gitarrenhaltendes Männchen aus einem machen kann ... Ne, sowas darf nicht passieren ... Man kann dich echt nicht mehr aus dem Haus lassen ... (sich völlig verlierend)

Thomas Winkler

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