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DER DGB VERTRITT DIE MITTE, NICHT DIE SCHWACHENDie Legende vom Linksruck

Von einem „Linksruck“ der Gewerkschaften ist allenthalben die Rede. Damit ist eine Rückkehr zur traditionellen Gewerkschaftspolitik gemeint. Die Bewertung zielt auf die lohnorientierte Tarifpolitik der IG Metall, aber auch auf den Protest gegen Flexibilisierungen am Arbeitsmarkt, also befristete Verträge und Zeitarbeit. Und sie meint die Umverteilungsvorschläge des DGB, der für mehr öffentliche Investitionen eintritt und für mehr Steuereinnahmen – sei es in Form von Erbschafts-, Vermögens- oder Börsensteuer.

Mit solchen Forderungen will sich der DGB wieder zum politischen Anwalt der Schwachen machen. Doch ein Linksruck ist das nicht. Denn die Gewerkschaftsbewegung repräsentiert heute nicht die wirklich Schwachen, die Arbeitslosen und Alleinerziehenden auf Jobsuche, die prekär Beschäftigten und die vielen Immigranten mit ungesichertem Arbeits- und Aufenthaltsstatus. Wer in einem tariflich gebundenen Betrieb eine Festanstellung genießt und damit von den Gewerkschaften geschützt wird, zählt heute zur Mitte und nicht zum Rand. Dazu passt, dass die DGB-Umverteilungsrhetorik immer die Besitzstände der Mittelschicht unangetastet lassen will, so etwa bei der Erbschaftsteuer. Die Gewerkschaften schützen die Besitzstände ihrer Mitglieder. Daran ist erst mal nichts Schlechtes.

Trotzdem ergibt sich daraus ein Problem für den DGB, und deswegen betont ihr künftiger Chef Michael Sommer immer wieder, dass die Gewerkschaftsbewegung erneut die „Meinungsführerschaft“ erringen wolle. Die ist nämlich nur denkbar, wenn sie den moralischen Überschuss für sich reklamieren kann, Vertreterin der Schwachen, also ausgleichende Kraft zu sein. Doch man kann nicht beides haben: Besitzstandswahrung für die Mitglieder einerseits und Lockerungen am Arbeitsmarkt andererseits, von denen vielleicht die Schwächeren profitieren. Nicht die Meinungsführerschaft, die Glaubwürdigkeit gerät zum großen Problem der Gewerkschaftsbewegung. Der alte Begriff „links“ hilft dabei nicht viel. Das ist auch Sommers Problem. Wenn er es nicht löst, folgt die Strafe: der Machtverlust der Gewerkschaften gegenüber Staat und Wirtschaft. BARBARA DRIBBUSCH

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