piwik no script img

DER ANSCHLAG IN DÜSSELDORF LEGT EINEN RECHTEN HINTERGRUND NAHEDie Logik politischer Attentate

Die Polizei ermittelt nach dem Düsseldorfer Bombenattentat „in allen Richtungen“ und „schließt einen politischen Hintergrund nicht aus“. Dürre Kost, aber verständlich auf der Basis der bisherigen Ermittlungsergebnisse. Auch bei Erklärungen der Linken – Vorsicht, gebrannte Kinder! – empfiehlt sich Zurückhaltung bei schnellen Schuldzuweisungen an die Adresse der Rechtsradikalen. Was aber keineswegs bedeuten kann, auf jeden Versuch zu verzichten, Terroranschläge dieser Art ihrer Struktur nach zu analysieren und einzuordnen.

Politisch motivierte Anschläge gehorchen einer vollständig unterschiedlichen Logik, je nachdem, ob sie von Vertretern des rechten oder des linken Radikalismus verübt werden. Seit den Attentaten gegen zaristische Würdenträger seitens der Narodnaja Volja im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts verübt die radikale Linke Attentate gegen Menschen, von denen sie annimmt, dass es sich um besonders verhasste Vertreter des herrschenden Regimes handelt. Dies mit dem Ziel, durch den geglückten Anschlag „die Massen“ aus Angst und Lethargie aufzurütteln, ihnen eine Perspektive für die revolutionäre Aktion zu weisen. In der Doktrin nannte man solche Anschläge „Propaganda der Tat“. Obwohl sie in einem anderen ideologischen Koordinatensystem operierte, hat selbst noch die RAF bei der Bestimmung ihrer Opfer wie bei den erhoften Wirkungen an diesem Grundprinzip festgehalten.

Ganz anders die Motive wie die Zielsetzung bei der terroristischen Rechten. Historisch haben die Rechtsradikalen, wie das Beispiel der Feme-Morde in der Weimarer Zeit beweist, auch zum Mittel des individuellen Terrors gegriffen und tun dies vereinzelt auch heute noch. Aber gerade die Erfahrung der letzten dreißig Jahre zeigt, dass rechtsradikaler Bombenterror nicht bestimmte, verhasste Einzelne treffen soll. Er wird vielmehr ungezielt eingesetzt, soll beliebige Opfer treffen.

Die Attentate sollen die Ohnmacht des Staates erweisen, sie sollen den Ruf nach starken Männern anschwellen lassen, die im Gegensatz zu den demokratischen Institutionen fähig sind, die Bürger zu schützen. Der wegen der Morde beim Attentat im italienischen Pateano verurteilte Neofaschist Vinciguerra hat diese Strategie so formuliert: „Dreißig Jahre lang wurde die Bevölkerung absichtlich in Unruhe und Angst vor einem Ausnahmezustand gehalten. Bis sie bereit war, einen Teil ihrer persönlichen Rechte im Austausch für größere Sicherheit aufzugeben. Die Menschen in diese Haltung zu zwingen, das ist die Logik, die hinter den Verbrechen steckt.“

Bei den Bombenattentaten in Italien zwischen 1969 und 1980, denen dutzende von Menschen zum Opfer fielen, wurden die Ermittlungen absichtsvoll in Richtung der radikalen Linken geführt, obwohl sie, wie wir heute wissen, das Werk von Neofaschisten und mit ihnen im Bunde stehenden Geheimdienstleuten bzw. Geheimorganisationen waren. Geradezu reihenweise wurden anschließend Mitwisser, Zeugen und Experten umgebracht, die in der Lage gewesen wären, die rechtsradikalen Verbindungen aufzuklären. Wie sich zeigte, verbinden sich rechte Terroraktionen häufig mit im Verborgenen operierenden Kräften, die gleichzeitig innerhalb des rechten Spektrums wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft bekleiden. Das ist kein Wunder, denn diese Verbindungen dienen schließlich dem Ziel, die Demokratie in Richtung eines autoritären Staats zu bomben.

Natürlich existieren bei den Bombenattentaten der Nachkriegszeit Grauzonen, bei denen sich die Trennschärfe zwischen linkem und rechtem Terrorismus zu verwischen scheint. Attentate wie die gegen die Disco „La Belle“ 1986 in Berlin, erst recht das Flugzeugattentat bei Lockerbie verraten eine faschistische Handschrift, selbst wenn die Täter für sich linke Überzeugungen reklamierten oder reklamieren werden. Gerade im Fall der Attentate, deren Spur nach Libyien weist, kann von einer linken Motivation oder Zielsetzung im beschiebenen Sinne nicht die Rede sein. Auch hier ist das wichtigste Unterscheidungskriterium bei der Frage nach dem politischen Hintergrung: gezielter Terror gegen herausragende Vertreter des bekämpften Regimes oder ungezielter Terror mit der Absicht, allgemein Angst und Schrecken im Land zu verbreiten? Die Antwort beim Düsseldorfer Attentat sollte nicht schwer fallen. CHRISTIAN SEMLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen