DEN HAAG 2: NATIONALE GERICHTE REICHEN NICHT ZUR WELTGERECHTIGKEIT: Notwendige Einschränkung
Belgien muss seinen internationalen Haftbefehl gegen den früheren Außenminister der Demokratischen Republik Kongo aufheben – und kann gleich einen neuen ausstellen. Das ist die unmittelbare Konsequenz des Urteils des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag. Die Richter bestätigen die Immunität von Staatschefs und Außenministern vor der nationalen Gerichtsbarkeit anderer Staaten – solange die Personen im Amt sind.
Tatsächlich bedeutet das Haager Urteil zwar eine Niederlage der belgischen Ankläger – und der unterschiedlichen, durchaus politisch motivierten Opfergruppen, die gehofft hatten, Israels Premierminister Ariel Scharon, Kubas Staatschef Fidel Castro oder Palästinenserpräsident Jassir Arafat in Belgien vor Gericht bringen zu können. Das mag für die Opfer enttäuschend sein – im Sinne der internationalen Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen aber ist das Urteil durchaus hilfreich – so paradox das zunächst klingen mag.
Denn tatsächlich war die weit reichende Auslegung der belgischen Gesetze kaum dazu geeignet, Gerechtigkeit und vorurteilsfreie weltweite Strafverfolgung zu garantieren. Das kann ein einzelner nationaler Justizapparat auch nicht – weder hat er die Kapazitäten, noch kann er die politische Unabhängigkeit und Legitimation eines internationalen Gremiums für sich beanspruchen.
Dabei haben die Haager Richter in ihrem Urteil die grundsätzliche Anwendbarkeit des Weltrechtsprinzips nicht bestritten – also die grundsätzliche Zuständigkeit jedweden Gerichts weltweit für die Verfolgung von Straftaten wie Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie sagen nur, dass diese Strafverfolgung vor nationalen Gerichten die Immunität von Regierungschefs und Außenministern nicht außer Kraft setzen kann.
Damit das nicht auf Dauer bedeutet, dass aktive Menschenrechtsverletzer nicht an ihrem Tun gehindert werden können, solange sie nur Regierungsämter bekleiden und sich selbst immunisieren, muss endlich der Internationale Strafgerichtshof mit seiner Arbeit beginnen können, für den die Immunitätsregeln explizit nicht gelten. Er tritt in Kraft, wenn mindestens 60 Staaten das Rom-Statut ratifiziert haben – 52 sind es bislang.
Es bleibt allerdings eine Lücke in der Strafverfolgung – nämlich für diejenigen Verbrechen, die in der Vergangenheit begangen wurden, wegen des Rückwirkungsverbots nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof werden verhandelt werden können und in ihren Ländern keine Chance auf juristische Aufarbeitung haben. Für diese Fälle werden nationale Justizapparate von Drittländern wie Belgien oder Deutschland weiterhin gebraucht werden. BERND PICKERT
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