DEN G-8-STAATEN FÄLLT ZU NAHOST NICHTS EIN: Reden ja, Aussage keine
„Entspannung im Nahen Osten auf der Grundlage der Empfehlungen des Mitchell-Planes“ – das ist sicher keine besonders originelle Empfehlung, die sich die G-8-Staaten in Genua zu Eigen machen wollen. Auch nicht besonders erfolgversprechend. Denn die Konfliktparteien vor Ort denken gar nicht daran, die Mitchell-Vorschläge zu befolgen, obwohl die ja – ganz bescheiden – eigentlich nur die Minimalvoraussetzungen darstellen, um die Lage so weit zu entspannen, dass eine Rückkehr an den Verhandlungstisch denkbar wird.
Doch bis heute sind sich beide nicht einmal einig, wie die Mitchell-Vorschläge zu deuten seien: Die PLO hat lange darauf bestanden, dass auch eine „relative“ Beruhigung als „Ende der Gewalt“ zu gelten habe, und Israel meinte, dass der Ausbau bestehender Siedlungen keine Neugründungen bedeute. Palästinensische Gegner einer Verständigung bombten unterdessen weiter. Israel wiederum liquidiert wirkliche oder vermeintliche Terroristen, was häufig auch Unschuldige trifft und stets neue Racheakte provoziert. An dieser Grundsituation wird sich nichts ändern, nur weil die G-8-Staaten zwischendurch mahnend den Finger heben.
Darüber hinaus hat Israel erneut Truppen und Panzer an strategischen Punkten des Westjordanlandes stationiert. Dennoch ist unwahrscheinlich, dass unmittelbar bevorsteht, was in der britischen Fachzeitschrift Jane’s geschildert wurde: eine israelische Großoffensive mit dem Ziel, die PLO-Führung zu vertreiben. Bis dahin dürfte es noch ein weiter Weg sein – schon allein, weil dies bedeuten würde, die israelische Besatzung über alle palästinensischen Gebiete wieder herzustellen. Und das strebt in Israel niemand ernsthaft an. Schon allein, weil man nicht wieder in Orten wie Gaza Militärdienst leisten will. Ministerpräsident Scharon dürfte sich solches auch außenpolitisch kaum leisten können. Ihm schlägt zwar schon lange internationales Misstrauen entgegen, doch inzwischen verschärft sich der Ton. Dies zeigt sich etwa daran, dass selbst der bisher moderate Präsident Ägyptens dem israelischen Premier vorwirft, er verstehe nur zu töten.
Die G-8-Außenminister, die an den Empfehlungen zu Nahost arbeiten, müssen eingesehen haben, dass die Erinnerung an den Mitchell-Bericht kaum ausreichen dürfte. Und so erwägen sie die Entsendung internationaler Beobachter. Von den Palästinensern seit langem gefordert und von den Israelis abgelehnt, wären solche Beobachter nur ein weiteres Déjà-vu-Erlebnis in Nahost: Zu den verschiedensten Zeiten des Konflikts gab es dort Beobachter, und keine Eskalation, auch kein Krieg ist je von ihnen verhindert worden. PETER PHILIPP
Nahostexperte bei der Deutschen Welle
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